In der Marler Schreibwerkstatt wurde in 30 Jahren so manches Talent wach Marl. Eine Handvoll Schreibinteressierter traf sich 1980 in der insel mit dem Ziel, literarisches Schreiben, Alltagssprache, Arbeits- und Alltagswelt miteinander zu verbinden. Sie schrieben Kurzgeschichten und Gedichte, feilten an Inhalten und Worten, spielten Geburtshelfer für literarische Texte. Heute feiert die Schreibwerkstatt ihr 30-jähriges Bestehen. Ein in der Bundesrepublik wohl einmaliges Datum. Zum Jubiläum haben insel-Studienleiter Dr. Ulrich Brack, die ehemalige und der jetzige Leiter der Werkstatt, Iris Harlammert und Werner Schlegel, eine Anthologie mit Texten aus dieser Zeit herausgegeben. Fünf, sechs Teilnehmer waren eigentlich zu wenig für einen Volkshochschulkurs , erinnert sich Dr. Ulrich Brack an die Anfänge. Er ergriff damals die Initiative zur Gründung der Schreibwerkstatt, knüpfte Kontakte zu Schriftstellern im Ruhrgebiet. Der erste Leiter der Werkstatt war der Arbeiterschriftsteller Richard Limpert aus Gelsenkirchen. Nach nur zwei Jahren war die Teilnehmerzahl auf über 20 angestiegen. Schriftsteller erwachen aus dem Dornröschenschlaf Es waren Alte und Junge, Akademiker, aber auch einfache Leute : Köchinnen, Schneiderinnen, Hausfrauen, in denen wie nach einem Dornröschenschlaf die Fähigkeit des Schreibens geweckt wurde und die damit ganz dem Grundsatz entsprachen Jeder ist ein Schriftsteller . Die inzwischen verstorbene Josefine Konietzko ist so ein wunderbares Beispiel, ihre Texte wurden in Schulbüchern gedruckt , sagt Brack. Die BRD der 80er Jahre bot genug Stoff , erinnert sich Brack. Es war die Zeit der Friedenstexte, Umweltzerstörung und Massenarbeitslosigkeit rückten ins Bewusstsein, der Rechtsextremismus erstarkte, die Emanzipation wurde thematisiert. Die insel-Schreibwerkstatt wurde von der Kommunalpolitik kritisch beäugt. Auch wegen ihres Leiters Richard Limpert, der in den 60er Jahren sozialkritische Gedichte, Geschichten, Reportagen geschrieben hatte. Er hörte 1990 auf. Eine Diskussion über den Sinn von Schreibwerkstätten gab 1984 den Anstoß zu einem Forum in der insel. Literaturwerkstätten aus dem Ruhrgebiet kamen zusammen, diskutierten über das Thema Zwischen Dilettantismus und Professionalismus .Vergleichsweise unspektakulär machten sich die 90er und 2000er Jahre aus. Texte wurden unpolitischer, die Werkstatt versteckte sich aber nicht hinter verschlossenen Türen, sondern suchte die Öffentlichkeit. Die Friedenslesung in der Pauluskirche, das zweimal jährlich stattfindende Literaturcafe´, die Reihe Literatur an ungewöhnlichen Orten wurden Tradition. Die Anthologie ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Texte einen hohen Stellenwert haben , sagt Dr. Brack. Vielleicht trage sie zu einer Wiederbelebung der Schreibwerkstätten bei.. (Westdeutsche Allgemeine 25.2.2010)