Es gibt Bücher, die den Leser bereits nach wenigen Zeilen in ihren Bann schlagen und nicht eher verweilen lassen, als bis das Auge den letzten Quadratzentimeter zwischen den Buchdeckeln durchmessen hat. Kai Strittmatters Artikelsammlung Pekinger Himmelsstürze gehört definitiv zu dieser Kategorie von Büchern. Der Autor, Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Peking, ist ein scharfsinniger Beobachter des chinesischen Alltagslebens und versteht sich meisterhaft darauf, ausgehend von konkreten Beispielen ein Panorama der chinesischen Gesellschaft mit all ihren Widersprüchen und Ungereimtheiten zu skizzieren. Ob die begeisterte Aufnahme der IKEA-Filiale in Peking, die Empörung über das erste Starbucks-Café in der Verbotenen Stadt, dessen Platz nicht einmal für eine Kaffeemaschine ausreicht, oder die erste Techno-Party auf der Großen Mauer vor den staunenden Augen der Dorfbevölkerung, stets wird der Konflikt, das Aufeinanderprallen verschiedener Ansichten und Lebenswelten in den Mittelpunkt gestellt. Was die Artikel Strittmatters auszeichnet, ist der treffsichere Humor. Jeder, der sich für längere Zeit in Peking aufgehalten hat, fühlt sich bei den Themen „Baulärm“ und „Warum Chinesen nicht leise sein wollen“ nur allzu gründlich an diese Zeit erinnert. Sehr realitätsgetreu sind auch die Schilderungen des Fliegens mit Maschinen der staatlichen chinesischen Gesellschaft CAAC (von bösen Zungen mit „China Airlines Always Crashes“ oder neuerdings mit „China Airlines Always Cancels“ übersetzt) im Allgemeinen und dem Verhalten der chinesischen Mitreisenden im Besonderen. Am eindrucksvollsten ist indes das Kapitel anläßlich des 10. Jahrestags des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Auf wenigen Seiten gelingt es dem Autor hier, die komplexe Lage darzustellen und den Umbruch vom jugendlichen Idealismus des Frühlings 1989 zur inneren Immigration einer ganzen Generation in der Folgezeit zu beschreiben. Alles in allem ein Buch, das ebenso unterhaltend wie tiefsinnig ist. –Daniel Leese