Als Ernesto Guevara de la Serna und sein Freund Alberto Granado am 29. Dezember 1951 zu einer mehrmonatigen Reise durch Südamerika aufbrechen, konnten sie weder ahnen, welch große Bedeutung diese Reise für sie selbst noch Ernesto später für die Welt haben sollte. Tatsache ist: Diese legendäre Tour, die die beiden im argentinischen Córdoba mit einer alten 500er Norton begannen und sieben Monate später als Anhalter in Carácas beendeten, hat den jungen Medizinstudenten Ernesto zum angehenden Revolutionär Che Guevara gewandelt. Was danach folgte, ist weltbekannt: kubanische Revolution, Guerilla-Führer in Bolivien und anderen lateinamerikanischen Staaten, Leitfigur zahlreicher national-revolutionärer Bewegungen. Noch heute gehört er zu den am meisten abgebildeten Menschen überhaupt: Poster, T-Shirts, Fahnen, Kaffeetassen, kaum eine Fläche, die nicht mit seinem charakteristischen Konterfei verziert ist. Das weltweite Erstarken der Friedensbewegung während des Irakkriegs und das gestiegene Protestpotenzial vieler lateinamerikanischer Bevölkerungsgruppen hat ihr Übriges zu einem erneuten Popularitätsschub der Symbolfigur beigetragen. Da passt es gut, dass sich genau 50 Jahre nach Guevaras Selbstfindungstrip Karin Ceballos Betancour, eine junge und erfolgreiche Journalistin bei der Frankfurter Rundschau, auf Spurensuche entlang der damaligen Reiseroute begibt. Anhand einschlägiger Notizen spürt sie wichtige Stationen auf, stöbert in alten Zeitungsarchiven — und spricht ebenso mit seinen Jugendfreunden und Angehörigen wie mit seiner Grundschullehrerin, die im Comandante der kubanischen Revolution ihren ehemaligen Schützling wiedererkannte. All diesen guevarabezogenen Aufarbeitungen stellt sie ihre heutigen Eindrücke gegenüber und liefert dabei ungeschminkt und erstaunlich fassettenreich eine schonungslose Bestandsaufnahme vieler südamerikanischer Länder, allen voran von Argentinien, Chile und Peru. Im Angesicht der jüngsten Wirtschaftscrashs, der immer stärker ausufernden Armut und der teils katastrophalen sozialen Verhältnisse kommt da beinahe das Gefühl auf, dass sich die Autorin im Vorfeld einer weiteren großen Revolution bewegen könnte. Wer weiß, vielleicht ist ein neuer Che schon unterwegs. –Christian Haas