Das Nachdenken über die Demokratie in Deutschland bestimmt seit jeher das publizistische Werk von Hildegard Hamm-Brücher. Die als „Grande Dame der deutschen Nachkriegspolitik“ und couragierte Grenzgängerin bewunderte ehemalige FDP-Politikerin ließ sich stets von Karl Poppers Wort leiten: „Anstatt nach dem verborgenen Sinn der Geschichte zu fragen, müssen wir der Geschichte einen Sinn geben. Wir müssen aus den Irrtümern unserer Geschichte lernen und dabei auch die Irrtümer anderer als Schritte zur Wahrheit erkennen…“ Es lag deshalb durchaus nahe, anlässlich des 60. Jubiläums der Bundesrepublik die Achtundachtzigjährige mit der Herausgabe des vorliegenden Bands zu beauftragen, in dem prominente Zeitzeugen Rückschau halten und dabei über den Gesundheitszustand unserer Demokratie reflektieren. Diese war nämlich beileibe nicht der Wunschtraum der Deutschen und musste im Laufe der Jahrzehnte erst mühsam entwickelt werden. Aber obgleich unsere Demokratie nach wie vor nicht ungefährdet ist, fällt die Bilanz insgesamt positiv aus. Eine der wichtigsten Zäsuren markierte dabei offenkundig die sozial-liberale Koalition, zu deren wichtigsten Symbolfiguren die Herausgeberin zählt. Meriten erntet aber auch die Studentenbewegung. Obwohl der Umgang mit ihr nicht immer leicht gewesen sei, habe sie mit ihrer längst überfälligen Auseinandersetzung mit der geschichtlichen Vergangenheit der Demokratie wesentlich zum Durchbruch verholfen. Gerade die Generation der Achtundsechziger ist ein Musterbeispiel lebendigen Engagements für eine demokratische Gesellschaft. Nicht umsonst schwingt nämlich bereits im Buchtitel das Plädoyer mit, sich selbst als Teil einer Bürgergesellschaft stärker einzubringen. Insofern richtet es sich auch und gerade an ein junges Publikum, für das die Demokratie zu einer viel zu gering geschätzten Selbstverständlichkeit geworden zu sein scheint. – Arnold Abstreiter