Irgendwann verliert Darius Kopp den Überblick. Kopflos und ohne Orientierung steht der Fachmann für drahtlose Internetnetzwerke einer irgendwie unfassbaren amerikanischen Firma mit seinen 106 Kilo bei 178 Zentimetern Körpergröße auf dem kleinen Flughafen einer Ortschaft, die er nicht kennt. Er sitzt mit fremden Menschen bei einem Meeting, von dem er nicht weiß, worum es geht. Und als er wieder draußen steht, hat er immer noch nicht begriffen, welchen Auftrag er eigentlich erfüllen sollte. Vielleicht gibt es kein besseres Bild für die Einsamkeit im digitalen Zeitalter, für die Entwurzelung inmitten der Vernetzung, für die Entfremdung in Zeiten totaler Öffentlichkeit als dieses hier aus Terézia Moras Roman Der einzige Mann auf dem Kontinent. In Der einzige Mann auf dem Kontinent geht es um einen Helden, der sich und seine Beziehungen im Arbeitsstrudel zu verlieren droht. Und es gibt um Mitmenschen, die ganz unterschiedliche Wege finden, um mit Arbeitsüberlastung oder unfreien Produktionsverhältnissen umzugehen. In der DDR groß geworden, trennen sie sich von ihren Partnerinnen, um im Westen Karriere als Unternehmer zu machen (wie der Vater des Protagonisten). Sie gewinnen im Lotto und verschwinden auf Nimmerwiedersehen (wie der Pförtner in Darius’ Bürokomplex). Oder sie fallen einfach tot vom Fahrrad. Moras schlecht vernetzter Netzwerkmann, der sich eines Tages mit Burnout-Syndrom auf dem Büroteppich liegen sieht, findet eine andere Möglichkeit – und die verdankt er nicht zuletzt seiner bezaubernden und hoch sensiblen Gattin Flora, die er gerade noch rechtzeitig wiederfindet. So wohnt dem Roman auch ein tröstlicher Zauber inne, der den Leser aber irgendwie auch nicht so richtig beruhigen kann. Diese bleibende, verstörende Unsicherheit macht Der einzige Mann auf dem Kontinent über Kommunikationslosigkeit im Kommunikationszeitalter, ebenso wie Moras Sprache, zu einem kleinen Meisterwerk. — Stefan Kellerer