Copyright: Aus Das Buch der 1000 Bücher (Harenberg Verlag) Der Schüler Gerber hat absolviertOA 1930 (Neufassung 1954 u. d. T. Der Schüler Gerber)Form Roman Epoche ModerneDer Roman Der Schüler Gerber hat absolviert, ein eindrucksvolles Zeugnis bürgerlicher Schulkritik des frühen 20. Jahrhunderts, machte seinen Autor Friedrich Torberg im Alter von 22 Jahren einem großen Publikum bekannt.Entstehung: Das Buch ist stark von autobiografischen Bezügen geprägt. Torberg selbst war 1927 durch die Matura gefallen, die er ein Jahr später nur mühsam bestand. Sein eigenes Scheitern sowie Berichte über Schüler-Selbstmorde drängten ihn zur literarischen Aufarbeitung des Themas. Max Brod (1884–1968), der Mentor von Torberg, sandte das Manuskript ohne Wissen des Autors an Paul Zsolnay (1895–1961), der den Roman in sein renommiertes Verlagsprogramm aufnahm.Inhalt: Der Schüler Kurt Gerber ist ein intelligenter, nicht sehr fleißiger, aber gewandter und beliebter Schüler. Er ist Klassensprecher und ein wenig rebellisch. Zu Beginn des letzten Schuljahres legt er sich mit seinem Klassen- und Mathematiklehrer Kupfer an, dessen autoritäres Gebaren ihm missfällt. »Gott« Kupfer – wie der in Selbstherrlichkeit erstarrte Lehrer allgemein genannt wird – kündigt daraufhin an, er werde Gerber schon »klein kriegen«. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit wird der sensible Schüler fortan von dem Lehrer schikaniert und mit Hinweis auf das Notenbuch gedemütigt. Kupfer treibt es soweit, dass Gerber fürchten muss, durch die bevorstehende Reifeprüfung zu fallen. Zu den täglichen Kämpfen im Klassenzimmer gesellen sich bei Gerber die Sorge um die Gesundheit des Vaters und eine unglückliche Liebe. Der empfindsame junge Mann zeigt sich diesen Konflikten nicht gewachsen und stürzt sich am Tag der Zertifikatsausgabe in den Tod. So erfährt er nicht mehr, dass er die Matura trotz Kupfers Manipulationen bestanden hatte.Struktur: Anhand des klassischen Lehrer-Schüler Konflikts führt Torberg dem Leser das Psychogramm eines jungen Menschen vor Augen, der eigentlich schon der Schule und dem Schülersein entwachsen ist, sich aber noch ihren Ritualen und Machtverhältnissen unterwerfen muss. In den Figuren der beiden ungleichen Antagonisten wird eine Welt von Tyrannei und Willkür, Ohnmacht und Ausgeliefertsein dargestellt, die eine besondere Dichte in der Beschreibung der allgemeinen Schul- und Prüfungsatmosphäre erfährt.Wirkung: Der Leser des Romans bekommt unweigerlich das Gefühl, das hier erzählte so oder in ähnlicher, zumeist wohl abgeschwächter Form selbst einmal erlebt zu haben. Die präzise und einfühlsame Schilderung all der verdrängten Schul- und Prüfungsängste lässt die Geschichte des gepeinigten Schülers jederzeit aktuell sein. Der Roman habe eingeschlagen »wie eine Bombe«, erklärten Kollegen von Torberg. Es wurden noch in den 1930er Jahren 50 000 Exemplare verkauft, nach dem Krieg dann ein Vielfaches. Zudem wurde das Buch in zehn Sprachen übersetzt und 1981 verfilmt. R. F.