Friedrich Nietzsches Feststellung, dass es gefährlich sei, „Erbe zu sein“, trifft in besonderem Maße für die Deutschen zu: müssen sie sich doch auf dem Weg in die Zukunft mit einer abgründigen Herkunft auseinander setzen – mit einer Vergangenheit, in der menschen-verachtende Wahnideen in höchst gefährlicher Weise den Blick auf die Wirklichkeit verstellten. Visionär meinte Franz Grillparzer 1848: „Der Weg der neuen Bildung geht von Humanität durch Nationalität zur Bestialität.“ Dieses Buch leistet Erinnerungs- und Trauerarbeit, indem es ungemein kenntnisreich und anregend-provokant die Fehlentwicklungen der deutschen Gesellschaft und Kultur, die in der Katastrophe des Dritten Reiches endeten, aufzeigt. Was vorwiegend der Mentalität von Spießern und Kleinbürgern an Irrlehren entsprang, wurde durch die „Agenturen“ der Staatsmacht (Schule, Universität, Kirche, Militär, Politik, Verwaltung) den Untertanen, dann Volksgenossen oktroyiert. Der sozialpathologische Zustand geistiger und moralischer Verwahrlosung ist mit 1945 keineswegs überwunden; der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch. Der „deutsche Michel“ ist weniger ein komisches, denn ein gefährliches Symbol für das, was es durch Offenlegung und Aufklärung zu bekämpfen gilt. Die Wahrheit über die deutsche Geschichte und Gegenwart, der dieses Buch dient, ist oft schmerzlich, verhilft aber auch zur Heilung. Hermann Glaser