Lange Zeit wurde vor dem Erscheinen eines neuen Mankells gerätselt: Wird es diesmal ein Wallander- oder ein „Afrika“-Roman? Doch die Zeiten sind vorbei, als der Mankell-Kosmos noch so überschaubar war. Romane wie Tiefe oder Tea-Bag wollten schon nicht mehr in die bekannten Schubladen passen. Und ganz sicher entzieht sich auch Die italienischen Schuhe diesem Raster. Frederik Welin hat sich in die Einsamkeit geflüchtet. Nach der „Katastrophe“, einem Kunstfehler, der dem Chirurgen unterlief, hat er sich auf eine abgelegene Schäreninsel zurückgezogen. Das ehemalige Haus der Großmutter ist zu seiner „Festung“ geworden. Hier kann er, abgeschirmt von der Außenwelt, seine Rituale pflegen. Im tiefsten Winter, bei schneidendem Wind, hackt er jeden Morgen ein Loch ins Eis und springt hinein. Für ihn ist dies die einzige Möglichkeit, sich selbst zu spüren, zu merken, dass er noch lebt. Mankell erzählt die berührende Geschichte, wie der Einsiedler Frederik wieder ins Leben zurückfindet. Aus der freiwilligen Verbannung wird er von Harriet gerissen. Sie erinnert ihn an ein Versprechen, das er ihr vor 40 Jahren gegeben hat, damals, als beide noch ein Paar waren. Sie verbrachten einen verliebten Sommer in Stockholm – bis zum Verrat, als er, ohne sich auch nur zu verabschieden, mit einem Stipendium in die USA abreiste und sich nie wieder meldete. Nun ist Harriet sterbenskrank und verlangt, wie damals versprochen, mit ihm an einen Waldsee im Innersten Norrlands zu fahren. Dort wollten sie im Mondlicht schwimmen. Die Reise durch das winterliche Schweden wird für Frederik zu einer Reise ins Leben, für Harriet gibt es keine Rettung. Es sind die vielen Begegnungen mit ungewöhnlichen, teils skurrilen Menschen, die etwas in Frederik auslösen. Es sind Individualisten, Traumatisierte, lebenskluge Stadtflüchtlinge wie der steinalte Italiener Giaconelli, der Schuhmacher, der nur zwei Paare im Jahr fertigt, oder Agnes, die sich um schwer erziehbare Mädchen kümmert. Schritt für Schritt entdeckt Frederik die Schönheit und die Grausamkeit des Lebens wieder und spürt das Bedürfnis nach Nähe. Die italienischen Schuhe ist ein literarisches Roadmovie, das einst als Liebesgeschichte begann und als Entdeckungsreise fortgeschrieben wird. Und wie so oft entdecken die Reisenden dabei keine fremden Kontinente, sondern erfahren über sich selbst eine Wahrheit, „deren Gegenteil ebenfalls eine tiefe Wahrheit ist“, so das Motto des Buches. — Carsten Hansen, Literaturtest
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