Wer Kommissar Berndorf und die zwei früheren Romane Ulrich Ritzels mit dem sympathischen, etwas quer, doch nicht minder aufrecht in der Landschaft stehenden Polizisten kennt, hat schon geahnt, dass Berndorfs Entlassung aus dem Polizeidienst bevorsteht. Doch die kleine Feier zur Pensionierung in einem Büro des Neuen Baus in Ulm muss ohne den Kriminalhauptkommissar „bald a. D.“ auskommen. „Sie sollen mich in absentia zum Teufel schicken.“ Doch noch ist es nicht so weit. Ein letzter Fall ruft ihn nach Heidelberg: Ein ehemaliger Kollege hat sich aufgehängt und einen Brief für Berndorf hinterlassen. Und damit gibt es einen Schwenk zurück mitten in Berndorfs Geschichte und die der Bundesrepublik Anfang der 1970er-Jahre. Für beide war es keine gute Zeit, und sie sind vor allem noch lange nicht vorbei. Da gibt es auch noch das Odilien-Hilfswerk, 1953 gegründet als Hilfe für das unterdrückte deutsche Sprachgut im Elsass (und immer noch aktiv), da gibt es Tote und Wendehälse, ehemalige Terroristinnen — und den Beginn der Liebesgeschichte zwischen Berndorf und Barbara Stein. Die schließlich nach 411 Seiten hoffentlich geruhsameren Zeiten entgegensehen kann. Ulrich Ritzel beherrscht auch bei seinem dritten Kriminalroman die Kunst des Verschachtelns, des Schnittes. Dies verlangt eine aufmerksame Lektüre, die aber mit einem spannenden, aktuellen, fein geschriebenen Roman belohnt wird. –Martin Walker
— Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.