Er ist der prominente Musterknabe unter den Deutschen mit sogenanntem türkischem „Migrationshintergrund“. Mit Abitur, Sozialpädagogikdiplom und Erzieherausbildung hat der perfekt schwäbelnde und stets treuherzig blinzelnde Cem Özdemir den Gegenbeweis angetreten, dass Türkeistämmige besonders schwer integrierbar sind. Und der Sohn einer Gastarbeiterfamilie hat all jene Migranten Lügen gestraft, die sich von Haus aus chancenlos wähnen, hierzulande Karriere zu machen. Der einst erste und einzige Bundestagsabgeordnete mit Migrationshintergrund ist nach einer Station als Europaabgeordneter mittlerweile Parteivorsitzender der Grünen. Mit Die Türkei: Politik, Religion, Kultur hat der „Multi-Kulti-Flüsterer“ (Frankfurter Rundschau) und vehementeste Ankara-Kritiker in seiner Partei, der freilich gleichwohl zu den Befürwortern eines EU-Beitritts der Türkei gehört, zugleich eine Art persönliches Aufklärungsbuch vorgelegt. Özdemir, der mit den Vorurteilen und Diskriminierungen, unter denen Migrantenkinder zu leiden haben, bestens vertraut ist, wendet sich in erster Linie an jugendliche Deutschtürken, die sich trotz ihrer Staatsbürgerschaft weder hier zugehörig fühlen, noch in der Heimat ihrer Vorfahren, zu der ihre Generation inzwischen sämtlichen Bezug verloren hat. Adressaten seines „Ich erklär Dir die Türkei“-Buches sind aber auch junge Deutsche. Nicht anklagen sondern verstehen, lautet sein Credo. „Für alle, die 1000 Fragen zur Türkei haben und keine richtigen Antworten darauf bekommen“, habe er das Buch geschrieben, sagt Özdemir. „Die Türkei ist faszinierend, aber mitunter auch widersprüchlich. Und das versuche ich auch an Hand von vielen wahren Beispielen zu erklären, die das Buch lebendig machen.“ Sein Rat an die Migrantenkinder: sich nicht in einem vermeintlichen Zwischenstadium einrichten, sondern sich als Teil dieser Gesellschaft begreifen und sie mitgestalten. Die Türkei: Politik, Religion, Kultur ist sicherlich gut gemeint und bietet in vielerlei Hinsichtlich tatsächlich auch eine lehrreiche Lektüre. Ärgerlich schlampig lektoriert und unausgewogen in der thematischen Gewichtung, lässt das Buch insgesamt dennoch zu wünschen übrig. – Arnold Abstreiter