Einleitung: „Sie genießen – wir spenden.“ So lautete der Slogan, mit dem die deutsche Brauerei Krombacher für ihr im Juli 2004 ausgelaufenes „Krombacher Regenwald Projekt“ warb. Im Rahmen des Projektes, das Mitte 2004 bereits seit drei Jahren lief, überwies die Brauerei bislang ca. 2,3 Millionen Euro an Spendengeldern zu Gunsten des Erhalts des zentralafrikanischen Regenwaldes an die Regenwaldstiftung des World Wildlife Fund (WWF) Deutschland. Aber auch die Firma Krombacher profitierte von der Kooperation mit dem WWF und konnte ihren Umsatz dank einer massiven Werbekampagne entgegen der allgemeinen Marktentwicklung auf ein Rekordniveau steigern. Aktionen wie das „Krombacher Regenwald Projekt“ können als unternehmerische Reaktion auf eine sich ändernde Haltung der Gesellschaft gegenüber der Wirtschaft gedeutet werden. So interpretiert etwa der WWF den erfolgreichen Verlauf der Zusammenarbeit mit Krombacher als Zeichen dafür, „dass die Menschen von Firmen erwarten, dass sie nicht allein an ihre Gewinne denken, sondern auch Verantwortung übernehmen.“ Insbesondere die Unternehmensskandale der letzten Jahre, die öffentlich geführte Diskussion um überhöhte Vorstandsgehälter und Abfindungen sowie die voranschreitende Globalisierung trugen dazu bei, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit gegenüber Großkonzernen stark erschüttert wurde. Vor diesem Hintergrund sehen sich Unternehmen dem Druck verschiedenster Anspruchsgruppen ausgesetzt, die die bloße Gewinnorientierung großer Konzerne öffentlich anprangern und von diesen in zunehmendem Maße ein verantwortungsbewussteres Handeln in allen Bereichen der Gesellschaft einfordern. Diese Einschätzung stützt eine im Jahre 2003 veröffentlichte Umfrage, in der immerhin 80% der befragten Personen die Meinung vertraten, Unternehmen hätten neben einer ökonomischen auch eine moralische Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, die über ihre eigentliche Geschäftstätigkeit hinausgeht. Das Thema „Verantwortung von Unternehmen“ hat somit in den letzten Jahren aufgrund der veränderten gesellschaftlichen Erwartungshaltung wesentlich an Aktualität gewonnen und zwingt Unternehmen zunehmend zum Umdenken. So veröffentlichen mittlerweile mehr als die Hälfte der deutschen DAX-Unternehmen sog. „Corporate Responsibility Reports“, die über die bloße Aufzählung betriebswirtschaftlicher Kennzahlen hinausgehen und zudem eine unternehmerische Verantwortungsübernahme in den Bereichen Umwelt und Soziales dokumentieren sollen. Schon aus diesen kurzen Ausführungen wird deutlich, dass die beschriebenen veränderten Rahmenbedingungen der Diskussion um die Verantwortung von Unternehmen eine neue Qualität verleihen und somit in Bezug auf unternehmerisches Handeln eine umfassendere Untersuchung des Verantwortungsbegriffs notwendig erscheint. Insbesondere in der amerikanischen Wirtschaftsliteratur findet sich unter den Schlagwörtern „Corporate Social Responsibility“, „Corporate Responsibility“ oder „Corporate Citizenship“ eine Vielzahl von Abhandlungen zur begrifflichen und inhaltlichen Bestimmung der Verantwortung von Unternehmen, die sich jedoch häufig überschneiden und teilweise sogar widersprechen. Zur genaueren Bestimmung und Analyse des korporativen Verantwortungsbegriffs, kann der Rückgriff auf philosophische Hintergrundkonzepte einen wesentlichen Beitrag leisten. Denn gerade in der Philosophie des 20. Jahrhunderts ist eine intensive Ausdifferenzierung des Verantwortungsbegriffs zu beobachten. Insbesondere in der philosophischen Disziplin der Ethik entwickelte sich die Verantwortung, nicht zuletzt auch durch die im Jahre 1919 von Max Weber eingeführte Unterscheidung zwischen „Gesinnungs- und Verantwortungsethik“ , zu einem „Leitbegriff“, der fortan einen ganzen „Typus ethischer Theorien“ charakterisieren sollte. Die Analyse des Begriffs „Verantwortung“ erfolgte hier jedoch aus dem Blickwinkel der Individualethik, d.h. Verantwortung ist zunächst ausschließlich auf Individuen bezogen. Dies führt bei der Ausweitung des Verantwortungskonzepts auf Unternehmen zu theoretischen Schwierigkeiten, da in diesem Fall nicht länger einzelne Individuen, sondern gesamte Unternehmungen im Blickpunkt stehen. Gang der Untersuchung: Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag dazu leisten, das Konstrukt „Verantwortung“ zu konzeptualisieren und anschließend auf Unternehmen zu übertragen. Dabei orientierte sich die Vorgehensweise an folgenden Fragestellungen, die in den einzelnen Kapiteln beantwortet wurden: – Was ist unter Verantwortung aus Sicht der Ethik zu verstehen? – Kann der individualethische Verantwortungsbegriff auf Unternehmen übertragen werden bzw. sind Unternehmen überhaupt verantwortungsfähig? – Für wen oder was tragen Unternehmen Verantwortung? – Gegenüber wem haben Unternehmen eine Verantwortung wahrzunehmen bzw. vor wem haben sie diese zu vertreten? Zunächst wurde das Konstrukt „Verantwortung von Unternehmen“ aus dem Blickwinkel der Individualethik theoretisch fundiert, um die Basis für die anschließende Ausweitung des Verantwortungsbegriffs auf Unternehmen zu schaffen. Hiezu wurde im Einzelnen Verantwortung als „mehrstelliger Relationsbegriff“ charakterisiert, die Voraussetzungen für die Zuschreibung der Verantwortung erläutert und unterschiedliche Verantwortungstypen abgeleitet. In Kapitel 3 wurden die gewonnenen Erkenntnisse auf Unternehmen übertragen und deren eigenständige Verantwortungsfähigkeit, d.h. die Eignung eines korporativen Akteur, als Subjekt der Verantwortungsrelation grundsätzlich Verantwortung tragen zu können, unter Rückgriff auf drei ethische Unternehmensmodelle begründet. Anschließend erfolgte die inhaltliche Bestimmung der unternehmerischen Verantwortung anhand der zuvor identifizierten Verantwortungstypen. Hierbei konnte mit Hilfe der Gegenüberstellung des monistischen Stakeholder-Ansatz und der pluralistischen Stakeholder-Orientierung, gezeigt werden, dass Unternehmen als „quasi-öffentliche“ Institutionen gegenüber einer Vielzahl verschiedener Anspruchsgruppen Verantwortung tragen. Die aufgezeigte Argumentation bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte für die aktuell diskutierten Konzepte der Nachhaltigkeit, Corporate Social Responsibility sowie Corporate Responsibility und kann somit zum besseren Verständnis der aktuellen Diskussion um die Verantwortung von Unternehmen beitragen.
— Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.