Am Morgen jenes 11. Septembers, an dem Terroranschläge mit gekaperten Flugzeugen die Welt erschüttern werden, steigen drei Männer ins Auto, um gemeinsam zum Fliegenfischen an einen steirischen Fluss zu fahren. Katastrophen alltäglicherer Dimensionen bestimmen im Folgenden das Geschehen, das sich zu einem wesentlichen Teil in der Vorstellungswelt des Icherzählers abspielt. Über psychische Entgleisungen wird dabei in der Runde nicht zufällig ebenso kompetent gefachsimpelt wie über Raffinessen des Angelsports, denn alle drei sind von Beruf Seelenärzte. Die angespannte Atmosphäre zeigt sich schon während der Autofahrt an Sticheleien unter Kollegen und sarkastischen Herrenwitzen, die bei einer Rast in einer hübschen Kellnerin ein neues Objekt finden. Sexuelle Tagträume und Gewaltfantasien lauern ständig im Hintergrund, als schließlich in der einsamen Naturidylle einer voralpinen Flusslandschaft die Angelruten ausgeworfen werden. Die Konkurrenz um den größten Fisch, von den Fachmännern natürlich in ihrer psychologischen Deutung ironisch reflektiert, nimmt scheinbar zwangsweise ein schlimmes Ende: Der Fänger eines kapitalen Saiblings fällt erst in giftigen Bärenklau und dann in den Fluss. Paulus Hochgatterers Erzählung ist trotz des engen Handlungsrahmens, der sich auf wenige Stunden beschränkt, von erstaunlich hohem Weltgehalt. Es ist beeindruckend, wie der Autor es schafft, auf wenigen Seiten und mit oft nur lakonischen Andeutungen einen nahezu erdrückend dichten Erzählkosmos zu entwickeln, der ein intensives Lektüreerlebnis bietet. Die Klarheit der Landschaftsbeschreibungen und Genauigkeit in spitzfindigen Details des Fliegenfischens erlauben einen umso besseren Blick in psychische Abgründe, die ihre hypnotische Wirkung entfalten können. Wie schon in Hochgatterers letztem Roman Über Raben ist es das Unausgesprochene, vielleicht Unaussprechliche, das als zwischen den Zeilen spürbar gemachtes Verhängnis die Kraft und die Spannung des Textes ausmacht. Die faszinierende Stimmung von intellektueller Überreiztheit und heimlicher Begehrlichkeit, die sich in bisweilen poetischen, bisweilen grausamen Fantasien bemerkbar macht, verdichtet sich zusehends in der ebenso technisch sophistischen wie symbolträchtigen Tätigkeit des Fliegenfischens. Zuletzt verfließen die Grenzen zwischen Imagination und äußerer Wirklichkeit, und eine Äsche winkt dem Köder zu, bevor sie davonschwimmt. –Mathis Zojer