Hinter den Fassaden der deutschen Rechtsextremen Darstellung eines Vereinnahmten Politische Flüchtlinge brauchen nicht selten viel Trost. Und als Flucht ist wohl zu bezeichnen, was Jörg Fischer hinter sich hat. Er wurde schon als 13jähriger von Funktionären der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) angeworben. Viele Jahre verbrachte er in den Zirkeln von Rechtsaussen-Parteien, lernte zahlreiche Funktionäre kennen, verbrachte fast seine gesamte Zeit bei der Arbeit für sie und ihre Gruppierungen. Mit zweiundzwanzig stieg er aus, brach sämtliche Kontakte ab, und das hiess für ihn zunächst einmal, ins menschlich fast Bodenlose zu fallen. Die «Kameradschaft» in diesen Kreisen vereinnahmt die Mitglieder vollständig, ein Ausbruch ist für viele unmöglich. Gleichwohl referiert Fischer in seinem autobiographischen Buch ohne allzu deutliches Selbstmitleid. Fischer wächst allein bei seiner Mutter auf, hat kaum soziale Kontakte zu Gleichaltrigen. Ausgerechnet auf einem Amt kommt er zum erstenmal in Berührung mit dem kruden Weltbild der in den sechziger Jahren in der Bundesrepublik erfolgreichen NPD. Sie wurde 1964 hauptsächlich von ehemaligen NSDAP-Funktionären und bereits einschlägig bekannten rechtsextremistischen Politikern gegründet. In einige deutsche Parlamente konnte sie in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre einziehen. Und fast wäre es dem damaligen siegesgewissen Vorsitzenden Adolf von Thadden gelungen, der Partei auch die Präsenz im Bundestag zu verschaffen. Sie scheiterte knapp mit einem Wähleranteil von 4,3 Prozent. 1982 ist die Situation dann grundsätzlich anders, die NPD längst zur Splitterpartei geworden. Von einem Sachbearbeiter, bei dem der 13jährige Fischer lediglich einen Schwerstbehindertenausweis beantragen wollte (er leidet an Diabetes), wird er angeworben. Zunächst einmal sind es nicht die Ideen, die ihn faszinieren. Es ist die Möglichkeit des jungen Menschen, als einer der Ihren anerkannt zu werden. Später freilich geht es nicht ohne Gehirnwäsche ab. An eine mehrtägige «Schulung» wird er gesandt und völlig von der Szene vereinnahmt. Er arbeitet in der Provinz für die NPD, ist für die Pressearbeit zuständig, versucht einen Kreisverband im Fränkischen zu reaktivieren. In den achtziger Jahren achtet die NPD trotz «Ausländer raus»-Parolen noch auf ein demokratisches Image. Mittlerweile hat die Partei auch dieses Deckmäntelchen abgestreift, taktiert offen mit gewaltbereiten Neonazis. Fischer scheint sich noch fast an jedes Detail erinnern zu können. Beispielsweise erzählt er, wie sich der Funktionär, der ihn «entdeckt» hatte, sich darüber aufregte, dass die Plakate der NPD schwarz-rot-golden, in den Farben der «Besatzerrepublik», umrahmt waren. Später schreibt Fischer als festangestellter Redaktor für die Wochenzeitungen des Gründers der «Deutschen Volksunion» (DVU), Gerhard Frey. Da ist er nur einige Monate beschäftigt. Der Untertitel des Buches «Mein Leben in der DVU» wurde wahrscheinlich nur deshalb gewählt, weil die DVU zurzeit mehr in der Diskussion ist als die NPD. Fischer lernt dann die Grössen der damals erfolgreichen «Republikaner» wie Franz Schönhuber kennen. Die Partei zieht Anfang 1989 in das Westberliner Abgeordnetenhaus, einige Monate später in das Europaparlament ein. Und Fischer ist dabei, ist kurz davor, eine wichtige Figur unter den Rechten zu werden. Die Republikaner nehmen den NPD-Mann aber nicht auf. Dafür wird Fischer später noch eine kurze Zeit mit dem einstigen «Republikaner» Harald Neubauer an der Gründung einer neuen Gruppierung mitarbeiten. Dann folgt der Bruch. Ganz erklären kann er ihn sich immer noch nicht. Langsam haben sich Ressentiments aufgebaut gegen die Kollegen, die bei nächtlichen Saufgelagen ihre wahre Gesinnung gezeigt haben, Nazi-Lieder gegrölt und KZ-Witze erzählt haben. Manches gerät Fischer gerade bei den persönlichen Schilderungen zu weitschweifig. An einigen Stellen könnte man auch vermuten, dass Fischer, der ehedem ganz rechts war, jetzt auf der anderen Seite angekommen sei. Nicht oft genug kann er von der Nähe von CDU- und CSU-Politikern zur braunen Szene berichten. Er setzt den Begriff der Heimatvertriebenen in Anführungszeichen und bezeichnet die konservative Deutsche Partei, die in den fünfziger Jahren Erfolge verbuchen konnte und auch in Adenauers Regierung vertreten war, pauschal als rechtsextremistisch, weil einige ihrer Funktionäre später zur NPD wechselten. Das trübt etwas den Eindruck des sachlichen Beobachters, den Fischer dennoch auf weiten Strecken wahren kann. Timo Fehrensen