Die Angst vor dem Verschwinden des Buchs, sagt die Literaturwissenschaftlerin Carolin Fischer, hat die Angst vor dem Buch und damit auch die vor dem pornografischen Buch zum Verschwinden gebracht. Doch worin liegt die Gefahr der pornografischen Literatur und was kennzeichnet sie überhaupt? Wenn Carolin Fischer den verschiedenen Definitionsversuchen früherer Autoren die mehr dekorativen als klaren Klassifizierungsranken beschneidet, bleibt am Ende der klassische Vorwurf an die Pornografie, sie ziele auf den Körper ab. Wir lesen mit dem Verstand, aber wir spüren die Lektüre zwischen den Beinen. Doch Bücher zielen auch dann auf den Körper ab, wenn wir beim Lesen weinen und das mag uns heute wenigstens so peinlich sein wie unsere Reaktion auf die berühmten Stellen. Doch diese Peinlichkeit, so die Autorin, rechtfertigt keinen Vorbehalt gegen die ästhetische Qualität eines Textes. So bleibt am Ende die Definition der erregenden Literatur, der die Frage der Minder- oder Höherwertigkeit der Lektüre gleichgültig ist. Naturgemäß, so möchte man sagen, muss eine Untersuchung der erregenden Literatur, die in der Antike beginnt und mit Thomas Hettches Roman Nox von 1995 endet, eher langwierig und damit ermüdend sein. Denn das sind über 2000 Jahre Vögeln in allen Stellungen und Spielarten des Fetischismus, Voyeurismus, Sadismus und Masochismus. Allerdings, wenn Carolin Fischer die Strukturgleichheit des pornografischen Textes analysiert, der den Lesers stets zur Identifikation mit den handelnden Personen einlädt und diese Einladung zur Identifikation oft genug autoreferentiell thematisiert, dann wird es spannend; zumal wenn sie die Frage klärt, weshalb es immer Frauen sind, die den Leser in die Höhen oder Niederungen der Pornografie führen. Mit ihren Anmerkungen zu den ausserliterarischen Aspekten ihres Untersuchungsgegenstandes wie der rechtlichen Stellung der Frau zu Homosexualität, Empfängnisverhütung, Prostitution und Zensur, entfaltet sie in ihren Gärten der Lust tatsächlich eine kleine anregende, freilich nicht erregende, Mentalitätsgeschichte der geilen Literatur des Abendslandes. –Brigitte Werneburg
— Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.