Der österreichische Schriftsteller Ernst Jandl behauptete einmal, gleich einige seiner Gedichte seien sein bestes Gedicht – gäbe es doch einen besten Jandltext zum Laut- oder Leiselesen, zum Lachen oder Nachdenken, je nach Wohlgefallen. „Und dann beginnen wirklich einige, und meist sind des Kinder, dieses Gedicht nachzumachen, aber in Wirklichkeit machen sie es gar nicht nach, sondern sie haben nur entdeckt, wie man so ein Gedicht machen kann, und dann machen sie es, und es wird ihr eigenes Gedicht daraus“. „Wirkliche Poesie gibt es nur einmal“, schreibt Gelberg im Nachwort seiner Sammlung Großer Ozean, die mindestens fünf beste Gedichte Jandls enthält: „nicht so oder so, einmal für Erwachsene und einmal für Kinder“. Das stimmt nicht ganz, und was dem großen Leser bisweilen etwas simpel erscheint, vermag den kleinen aus neugieriger Kinderperspektive doch zu fesseln. Und so ist manch Lyrisches etwa von Rainer Kunze, Erich Fried oder anderen Autoren hier viel besser als in Anthologien für Erwachsene aufgehoben. Andererseits können einige, ausdrücklich für Kinder geschriebene Gedichte – so die von Erwin Grosche oder Paul Maar — durchaus auch den Erwachsenen zum Lachen oder Nachdenken animieren. Warum allerdings James Joyce, Alice aus dem Wunderland und Pinocchio den Einband dieses (im Übrigen sehr liebevoll illustrierten) Bandes schmücken, wird wohl das Geheimnis des Herausgebers bleiben: Texte von Joyce, Lewis Carrol und Carlo Collodi nämlich wurden gar nicht aufgenommen. Ansonsten aber können Kinder in Großer Ozean an zahlreichen Beispielen gut entdecken, wie beste Gedichte gemacht worden sind. Und – wer weiß? – vielleicht entsteht ja nach der Lektüre auch das eine oder andere neue, eigene Gedicht. –Thomas Köster
— Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.