„Der Eintritt in die Politik ist der Abschied vom Leben, der Kuss des Todes“ hat Hans Magnus Enzensberger einmal gesagt. Der Journalist Jürgen Leinemann sieht das nicht anders. Seit mehr als vierzig Jahren beobachtet der 1937 geborene Chronist den politischen Betrieb, der in Vielem eindeutig die Züge eines Suchtprozesses trägt. Und wie alle Abhängigen machen sich diejenigen, die der Droge Politik, und das heißt vor allem: der Droge ihrer eigenen Wichtigkeit verfallen sind, lange Zeit vor, sie hätten alles im Griff. Dabei entgleitet ihnen ihr Ich ebenso, wie die Wirklichkeit, in der das wahre Leben sich abspielt. Leinemann hat dies bei vielen Politik-Junkies über Jahre aus nächster Nähe beobachten können. Er hat gesehen, „wie die Macht sie verändert, wie sie sich einmauern in Posen von Kompetenz und Zuversicht, während die öffentliche Verachtung wächst“ — und insgeheim auch die Selbstzweifel. „Eine Weile“, berichtet der Autor, habe er sich in seiner Beobachterposition auf der sicheren Seite gewähnt — bis er merkte, dass er „als Journalist keineswegs nur Zuschauer war, der auf der Tribüne des Geschehens saß und cool protokollierte“. Er geriet selbst in die Suchtfalle, entwickelte „einen unersättlichen Hunger nach Anerkennung und Bestätigung“ und sah sich „bald nicht nur auf der Erfolgsleiter, sondern zugleich auf der Flucht vor der immer unangenehmer werdenden Realität aus Selbstzweifeln, Furcht vor dem Scheitern und quälenden Fragen nach dem persönlichen Preis für die Karriere.“ Leinemann weiß also, worüber er schreibt. Das unterscheidet sein Buch sehr angenehm von thematisch verwandten Publikationen, die sich gerne in platter Politiker-Schelte erschöpfen. Höhenrausch ist eine kluge Sucht-Analyse, die ohne Häme den Ursachen für den Realitätsverlust nachspürt, der bei vielen Politikern unübersehbar ist. — Hasso Greb
— Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.