Eine Biographie zu einem Politiker der Nachkriegsgeneration zu verfassen, noch dazu, wenn er bislang kein bedeutendes Staatsamt ausgeübt hat, ist selbst in unserer schnellebigen Medienwelt ungewöhnlich, und es ist gewiß kein Zufall, daß gerade Joschka Fischer diese seltene Ehre zuteil wurde. Allein seine Blitzkarriere bei den Grünen, die ihn in nur fünfzehn Jahren vom Bundestagsabgeordneten über den Posten des hessischen Umweltministers zum Sprecher der Bundestagsfraktion und schließlich auf den Stuhl des deutschen Außenministers führte, hebt ihn deutlich vom Gros bundesdeutscher Berufspolitiker ab, und wohl nur wenige seiner Kollegen können auf ein so wechselvolles und ereignisreiches Leben zurückblicken wie er. Schulabbrecher, Gelegenheitsarbeiter und linksradikaler Sponti — das ist der Stoff, aus dem Geschichten geschrieben werden, und Fischer, der im Bundestag als begnadeter Redner brillierte, mußte einfach zum Medienstar der grünen Partei avancieren, zumal er es stets meisterhaft verstand, das plötzlich erwachte öffentliche Interesse an seiner Person für seine Zwecke zu nutzen. Anders als Christian Schmidt mit seinem Buch Wir sind die Wahnsinnigen, hat Sibylle Krause-Burger eine klassische Biographie verfaßt, der man die Nähe der Autorin zum Objekt ihres Interesses anmerkt, die aber letztlich zu einer ähnlichen Charakterisierung gelangt, wenn sie Fischer als einen macht- und zielbewußten Menschen beschreibt, voll kindlicher Selbstliebe und einem angeborenen Talent zur Selbstinzenierung, der sich seine Rollen als Revolutionär, Turnschuhminister oder Staatsmann stets selbst kreierte und auf seine ganz persönliche Art ausfüllt. Um Fischers Persönlichkeit in all ihren Facetten erfassen zu können, empfiehlt es sich daher, beide Bücher zu lesen. Es lohnt sich. –Stephan Fingerle Wer erinnert sich nicht der Auftritte Joschka Fischers in Turnschuhen vor dem Bundestag? Diese kleinen protokollarischen Unbotmäßigkeiten prägten sich ebenso ein wie seine eindrucksvollen Reden, die letztlich das Bild eines fähigen Politikers in einer Partei festigten, der zunächst viele keine wirkliche Zukunft gaben. Doch es sollte anders kommen und dieses Buch erlaubt uns, die Biographie des wohl wichtigsten Politikers der heute etablierten Grünen nachzulesen. Man erlebt Fischer als Jugendlichen, davon getrieben, der bürgerlichen Enge seiner Herkunft zu entfliehen. Nach abgebrochenem Schulbesuch findet Fischer zunächst seine ideologische Heimat bei den Frankfurter Spontis. Bald muß er aber erkennen, daß die revolutionären Ideen seiner Jugend nicht in die Praxis umzusetzen sind. Sein Eintritt in die Grünen markiert die Wende hin zur Absicht, das politische System von innen verändern statt nur attackieren zu wollen. Die Zeit als Bundestagsabgeordneter und später als hessischer Landespolitiker macht Fischer dann zum Aushängeschild der Grünen — einen Ruf, den er heute noch innehat. Die Autorin zeichnet Fischers Entwicklung als „Marsch durch die Illusionen“, bei dem er mehrmals seine Ansichten überarbeitete, um schließlich zum heutigen Realpolitiker zu werden. Fischer ist sicherlich für einen Politiker — für einen bundesdeutschen allemal — eine Ausnahmeerscheinung. Seine Geschichte ist gerade deshalb so interessant zu lesen, weil sein Werdegang sich erheblich von den heute üblichen Politikerbiographien unterscheidet. Seine Entwicklung vom Revoluzzer zum Realpolitiker ist aufschlußreich, will man diesen einflußreichen Mann verstehen. Dabei merkt man dem Buch die Unterstützung Fischers an. Sehr persönliche Anekdoten ebenso wie privates Bildmaterial erlauben einen tiefen Einblick in eine außergewöhnliche Persönlichkeit. –Joachim Hohwieler