Mal ehrlich: Wer will schon ein Buch über einen Fisch lesen, Angler und Aquarienfreunde ausgenommen? Na gut, nicht irgendein Fisch, über den „Fisch, der die Welt veränderte“, den Kabeljau. Hat nicht der Butt die Welt verändert oder der weiße Hai? Nein, es war der Kabeljau. Der das behauptet, ist Amerikaner, Neuengländer zumal, und wenn man selber auf einem Fischkutter zur See gefahren ist, etwas von guter Küche versteht und daher stammt, wo es ein Kabeljaukap gibt, dann muß man es ja wissen. Gadus morrhua also. Auch bekannt als Stock- oder Klippfisch, größtes Verbreitungsgebiet: die Ostküste der USA und Kanadas. Im Brockhaus steht: Wichtiger Nutzfisch, will heißen: hervorragende Tiefkühlware. Zu Zeiten der Wikinger war der Kabeljau auch ohne Minusgrade hart wie ein Brett, von dem sich Erik der Rote und all die anderen hungrigen Entdeckertypen auf Deck ein Stück abbrachen. Ein halbes Jahrhundert später, als Columbus nach Amerika fuhr, entdeckten die Portugiesen die Konservierungstechnik des Einsalzens und beherrschten den Handel mit dem Salzfisch. Im 16. Jahrhundert schließlich wurde der Kabeljau für die spanischen und portugiesischen Flotten in der Neuen Welt die wichtigste Proviantquelle. Für 200 Jahre sollte er rund 60 Prozent des gesamten Fischverzehrs in Europa ausmachen. Man könnte gerade so weitermachen, die historische Bedeutsamkeit des Kabeljau ist beeindruckend, Kurlansky um Material nicht verlegen. Sein Buch ist eine anekdotenreiche Liebeserklärung an den hübschen Fisch mit den Leopardenflecken, locker geschrieben und liebevoll gestaltet, zugleich aber ein beherztes Plädoyer für einen naturschonenden Fischfang. 1992, so berichtet er gleich zu Anfang, ließ die kanadische Regierung die Gewässer um Neufundland für den Kabeljaufang sperren: „Fische lassen sich schwerer ausrotten als Säugetiere. Aber nach tausend Jahren Jagd auf den atlantischen Kabeljau wissen wir, daß man es auch bei Fischen schaffen kann“. Also weniger Kabeljau essen? Um Himmels Willen, nein. Kurlansky schreibt nicht als Umweltmahner allein, sondern ebenso als Liebhaber einer guten Fischküche. Also trägt er noch Kochtips historischer Persönlichkeiten zusammen und streut eine ganze Menge Rezepte dazwischen, damit aus dem Buch endgültig ein seltener Leckerbissen wird. — Nikolaus Stemmer