Nach dem gleichen Prinzip wie François Truffauts Klassiker über Hitchcock aufgebaut, zeichnen sich diese Gespräche zwischen Jean-Pierre Melville und Rui Nogueira von 1970 – nach dem Tod Melvilles 1973 bei den Cahiersdu Cinema erschienen – durch die Qualität der Fragen und die starke Bindung an die Persönlichkeit des Befragten aus. Jean-Pierre Melville, geb. 1917, Wegbereiter und spiritueller Vater der Nouvelle Vague, gilt als Meister der Kinosprache, für den das Kino etwas Heiliges war. Von Anfang an unabhängig in seiner Personalunion als Produzent, Regisseur und Drehbuchautor, schlug er einen eigenen Weg als Ästhet und Chronist der Unterwelt ein, inspiriert von zwei großen Filmgenres, dem amerikanischen Film Noir und dem Western, gesehen aus der Perspektive eines europäischen Großstädters. Die deutsche Erstausgabe – mit einem Vorwort von Jean-Pierre Melville selbst und eingeleitet von Rui Nogueira – zeichnet das Bild eines extremen Menschen: direkt, schnell, bissig, fesselnd. Die Annäherung an seine Filme erfolgt chronologisch, von Le Silence de la mer bis zu Le Cercle rouge. Filmliebhaber werden begeistert sein von der Fülle der Anekdoten, die nicht nur Erkenntnisse über sein filmisches Werk vermitteln, sondern Aufschluß über den Menschen Melville geben. Fern aller Klischees entsteht nach und nach das Porträt eines Mannes, der das gleiche Schicksal teilte wie die meisten seiner Helden: das der Einsamkeit, nicht nur als Künstler, sondern auch als Verantwortlicher für seine Filmstudios an der Rue de Jenner. Sein filmisches Universum gründet sich auf die Leere des Menschen: ein Kino leerer Aktion und formaler Perfektion. Wäre es nicht paradox, so müßte man dieses Werk eine filmische Mythologie der Leere nennen.