Die Bundesrepublik erlebte – wie die meisten vergleichbaren Industrieländer – in den 1960er Jahren eine regelrechte Planungseuphorie. Politische Planung galt als Strategie modernen politischen Handelns, die alle relevanten Felder staatlicher Tätigkeit erfasste. Ihren Höhepunkt erreichten die Planungsansprüche unter der sozialliberalen Regierung unter Willy Brandt (1969-1974), als die umfassendsten und ehrgeizigsten Reformen der Nachkriegszeit in die Wege geleitet wurden. Politische Planung als Handlungsstrategie kennzeichnete den modernen Interventionsstaat seit dem Durchbruch zur „Hochmoderne“ gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Dieser Staat sah sich seither vor der Aufgabe, gesellschaftliche Integration zu fördern und soziale Sicherheit zu schaffen, während er mit wachsenden politischen Partizipationsansprüchen der Bürger konfrontiert wurde. Die Studie untersucht das Aufkommen der Planungsdiskussionen in der Bundesrepublik vor dem Hintergrund des tiefgreifenden gesellschaftlichen und ökonomischen Wandels, wie er sich seit den 1950er Jahren vollzog. Die zeitgenössischen Deutungen dieser Veränderungen, besonders in den Sozialwissenschaften, flossen in einen politischen Reformdiskurs ein, der zudem von der sich herausbildenden kritischen Öffentlichkeit geprägt wurde. Die zunehmende Einbindung von (wissenschaftlichen) Experten in den politischen Prozess wird ebenso analysiert wie die Veränderungen im politischen System der 1960er Jahre, in denen sich auch und vor allem das Denken über Politik und Staat grundlegend wandelte. Damit markierten jene Jahre das Ende einer Epoche, ein Umbruch, auf den viele in den 1970er Jahre mit der Diagnose der „Unregierbarkeit“ des Landes reagierten. Tatsächlich scheiterten viele der Planungsvorhaben der Regierung Brandt wie generell der Glaube an die Möglichkeiten umfassender Planung sich erschöpfte. Die Studie analysiert die vielfältigen Ursachen für diesen Umschwung und diskutiert damit auch die unmittelbare Vorgeschichte der gegenwär tigen Probleme politischen Handelns.