Frappierend die steilen Gedankengebäude der Beitragenden, die den himmelsstürmenden Bauten kaum nachstehen. Wer hätte sich beim Bummel über den Potsdamer Platz je Gedanken darüber gemacht, wie die futuristische Architektur auf Vertreter der Gender Studies wirkt? Hannelore Bublitz und Dierk Spreen überbieten den notorischen Vorwurf an Wolkenkratzer, sie seien phallische Repräsentanten einer patriarchalischen Gesellschaftsordnung. Sie behaupten, der Platz sei eine „konsumistische Wunschmaschine“, in der „das Geschlecht scheinbar frei vom Anderen konstruiert werden“ könne. Anachronistisch mutet der Ansatz von Christine Resch und Heinz Steinert an, die aus der Perspektive der Kritischen Theorie konstatieren, der Potsdamer Platz sei „Herrschaftsdarstellung – als Aneignung eines Stadtzentrums durch mächtige Wirtschaftskonzerne und in Form von Überwältigungs-Architektur“. Weitere Aufsätze beleuchten den Platz diskursanalytisch, systemtheoretisch und semiologisch. Schöne Ansätze sind das, um Berlins Babylon habhaft zu werden, dessen Vielstimmigkeit irgendwann einmal vielleicht ein Musikwissenschaftler untersuchen sollte. (Hendrik Werner)