Kein gewöhnlicher Termin, sondern eine Deadline, hatte der Vater gesagt. Mit dieser wortwörtlich grausamen Zeitvorgabe beginnt für die Kinder eine neue Zeitrechnung. Und für den Leser das außergewöhnliche Dokument eines Abschieds. Eben hat Luca den ominösen Anruf erhalten. Am 9. Dezember werden die Eltern gemeinsam aus dem Leben scheiden. Die Schweizer Option. „Elf Tage lang wird Luca noch Sohn sein.“ Was im Roman „ROWS“ genannt wird — Right of Way Society, das Recht auf den eigenen Weg — heißt im realen Schweizer Leben „Exit“, eine Sterbehilfeorganisation. Der Autor Nicola Bardola weiß, wovon er redet. So verabschiedeten sich die eigenen Eltern aus ihrem Leben. Ein schwerer Gang, am schwersten für die Kinder, wie es scheint! Luca und sein Bruder Reto waren nicht unvorbereitet. Vor vier Monaten hatte Paul Salamun jede weitere Behandlung an seinem schweren Blasentumor verweigert. „Lebenssatt“, so hatte Franca, seine Frau, ihren Zustand beschrieben. Zufrieden, ohne Probleme, alles Wichtige gesehen, gehört, gefühlt. Lebenssatt, eben. Luca, versorgt mit den täglich eintrudelnden Tagebuchskizzen seines Vaters, vertieft sich in die Rätselwelt seiner Eltern, die zwischen Symbiose und schierer Unmöglichkeit oszillierte — und die nun an ihrem (natürlichen?) Endpunkt angelangt war. Der geniale Schweizer Bridge-Meister und Mathematiker Paul (der merkwürdige Romantitel bezieht sich auf den eingedeutschten Bridge-Terminus „Slam“) — und seine schöne Franca. Welches Geheimnis verbindet die beiden bis in den Tod? Zwischen den Kindern entbrennen heftige Diskussionen. Christina, Lucas Schwägerin, ist strikt dagegen. „Wozu braucht es mehr Mut? Alt werden und bis zuletzt kämpfen oder frühzeitig Schluss machen?“ Sie hält die Angst der Mutter vor dem Altern lediglich für „das Problem einer besonders schönen Frau.“ In der eisig klaren Luft des Engadin werden die letzten großen Denkgebäude über Leben und Tod errichtet. Montaigne, Jean Améry, Seneca und Franz Werfel assistieren. In maßvollem und nachdenklichem Ton, der keine schrille Note zulässt, verfasst Nicola Bardola das beeindruckende Requiem zu Ehren seiner Eltern, die ihm längst abhanden gekommen schienen. Und — er lernt, den „Schlemm“ zu begreifen. Ein literarisches Debüt, vor dem man den Hut zieht. –Ravi Unger
— Dieser Text bezieht sich auf eine andere Ausgabe:

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