Eigentlich sollte sich Oberinspektor Chen persönlich um den Mord an einer Dissidentin kümmern, doch er weilt im Urlaub. So übernimmt in Schwarz auf Rot Hauptwachtmeister Yu den Job, der schnell zu einem Politikum zu werden droht. Die Schriftstellerin und Regimekritikerin Yin Lige wird in ihrem Zimmer in einem heruntergekommenen Shanghaier Mietshaus ermordet. Es handelt sich um einen Kriminalfall von hoher politischer Brisanz, beobachten die westlichen Medien doch sehr argwöhnisch den Umgang der chinesischen Behörden mit der Opposition. Oberinspektor Chen sieht sich dennoch nicht in der Lage, die Ermittlungen zu übernehmen. Er hat seinen lange fälligen Urlaub genommen und beschäftigt sich im Auftrag des Unternehmers Gu mit der lukrativen Übersetzung eines Hochglanzprospekts für dessen Bauprojekt „New World“ ins Englische. So sieht Hauptwachtmeister Yu eine neue Chance gekommen, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Seine Nachforschungen ergeben, dass kaum ein Bewohner des Mietshauses gut auf Yin zu sprechen war, Feinde hatte sie offenbar genug. Die ehemalige Rotgardistin, die während der Kulturrevolution zur Umerziehung aufs Land geschickt worden war, hatte dort den verfemten Literaturwissenschaftler und Autor Yang kennen- und lieben gelernt. Nach Yangs Tod hatte sie dessen Werke eifersüchtig gehütet und selbst den vielbeachteten Roman „Tod eines chinesischen Professors“ veröffentlicht. Hatte der Mord an Yin politische Gründe oder hatte der Täter versteckte Ersparnisse im Zimmer der Autorin vermutet? War der Mörder ein Nachbar oder ein fremder Eindringling? Yu tappt zunächst im Dunklen, aber seine Beharrlichkeit und die Literaturkenntnisse seiner Frau Peiqin bringen ihn der Lösung des Falls näher. Doch erst Chen, der sich mit schlechtem Gewissen doch noch einmischt, bringt den Durchbruch. Hatte sich der in den USA lebende Qiu in Tod einer roten Heldin und in Die Frau mit dem roten Herzen bereits mit der jüngsten Vergangenheit und dem Verhältnis Chinas zum Westen beschäftigt, thematisiert er hier die inneren Konflikte seines Heimatlandes auf dem Weg zum modernen Industriestaat. In der Person von Qius Held Chen manifestiert sich die Zerreißprobe des Landes zwischen Tradition, Kommunismus und staatlich gefördertem Kapitalismus. Zwar werden wir auch nach der Lektüre des dritten und wiederum hervorragenden Romans von Qiu Xialong nicht definitiv wissen, wie China wirklich „tickt“, aber wir erhalten eine Ahnung von den ungeheuren Problemen, mit denen sich diese nun auch wirtschaftliche Weltmacht auf ihrem Weg in die Moderne konfrontiert sieht. –Ulrich Deurer