Wer war Sokrates? Was tat er? Warum musste er sterben? Das sind die drei leitenden Fragen, denen Wolfgang Fischer (1928-1998) in seiner Sokrates-Vorlesung nachgeht. Bewegt wird sein Gedankengang von dem sachlichen Interesse an der pädagogischen Be-deutung des sokratischen Nichtwissens und Nichtlehrens. In der langen Geschichte der vielfältigen pädagogischen Berufungen auf Sokrates darf dieser gewichtige Punkt als Defizit gelten, sofern eine verharmlosende didaktisch-methodische Vereinnahmung des sokratischen Fragens überwog. Wolfgang Fischers neue Sokrates-Deutung arbeitet demgegenüber den skeptischen Zug des sokra-tischen Umgangs mit Menschen heraus. Vor dem Hintergrund einer kontroversen Deutungsgeschichte und quellenkritischer Über-legungen führt sie an ein Verständnis des Sokrates heran, das zugleich geeignet ist, die gegenwärtig dominierende Ausrichtung von Pädagogik radikal in Frage zu stellen. Es wehrt dem Vergessen einer pädagogischen Aufgabenstellung, die das Lehren und das Wis-sen übersteigt, ohne diese zu verleugnen oder bei ausservernünftigen Instanzen Zuflucht zu suchen.