Das Buch von Petra Haferkorn beschreibt einen ungewohnten, ganzheitlichen Ansatz für Prüfungen, der bei den üblichen normenorientierten Prüfungen bestenfalls in Ansätzen gesehen, aber selbst dann rasch im Drang der Ereignisse vergessen wird. Es ist wie in der Medizin, wo nur spezielle Symptome isoliert diagnostiziert und therapiert werden, weil für das Ganzheitliche keine Zeit ist. Und das, obwohl eine ganzheitliche medizinische Betreuung besseren und nachhaltigeren Erfolg verspricht. Die vorgeschriebenen oder erforderlichen normativen Prüfungen werden von ihrer Zwecksetzung derart dominiert, dass in der Prüfungspraxis für einen systemischen Prüfungsansatz wenig Gelegenheit gegeben ist. Der Termindruck bei der Abschlussprüfung, der Wunsch der Auftraggeber nach raschen Ergebnissen und die Begrenzung der Prüfungskosten bzw. Prüfungshonorare lassen für einen ganzheitlichen Prüfungsansatz kaum Raum. Auf der anderen Seite macht die Autorin deutlich, dass ein systemischer Prüfungsansatz im Interesse objektiver und abgewogener Prüfungsergebnisse sehr wünschenswert wäre. Damit zeigt Haferkorn zugleich die Grenzen der normativen Prüfung auf. Die Kenntnis der aufgeführten Zusammenhänge und kritischen Grundlagen verhilft zu besser abgesicherten Prüfungsergebnissen. Auch wenn einige Ausführungen recht theoretisch oder auch banal erscheinen und die systemischen Prüfungsansätze zu stark auf die Unzulänglichkeiten der beteiligten oder betroffenen Personen abstellen, sollten möglichst viele Beteiligte und Betroffene dieses Buch lesen, um die generelle Berechtigung der systemischen Prüfungsansätze zu erkennen. Es bleibt die Erwartung, dass sie sich im konkreten Einzelfall auf die wesentlichen Faktoren besinnen. Für eine praktische Umsetzung der systemischen Prüfungstheorie wäre zu überlegen, ob und wie man ihre Grundsätze und Anforderungen in handhabbare Module aufteilen kann, die im Rahmen der regelmäßigen normativen Prüfungen in einem mehrjährigen Prüfungsturnus abgearbeitet werden können. Dazu sollten wenige Kontrollmaßstäbe entwickelt werden, um deren Wirksamkeit oder Wiederholungsnotwendigkeiten in angemessenen Zeitabständen verifizieren zu können. –Prof. Dr. Eberhard Scheffler, Hamburg, per E-Mail an den Verlag, 02.07.2010