Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit der amtlichen Bevölkerungsstatistik mit den Machthabern des Dritten Reiches besonders hinsichtlich der Volkszählungen 1933 und 1939? Wie unterschieden sich diese Zählungen untereinander sowie von dem 1925er Zensus? Diese Fragen bilden den Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung. Anhand einer gründlichen Quellenrecherche in deutschen Archiven wird auch der immer wiederkehrenden Behauptung nachgegangen, aus den Daten der mit der Volkszählung 1939 verbundenen Sonderaufnahme der Juden sei eine reichsweite Judenkartei angelegt worden, die als Grundlage für die Deportationen ab 1940/41 gedient habe. Auch wenn sich diese Behauptung als falsch erwiesen hat und sich eine derartige Verstrickung der amtlichen Bevölkerungsstatistik in den Holocaust nicht nachweisen läßt, so zeigt die Untersuchung doch, daß sich, wie andere Institutionen auch, das Statistische Reichsamt und die statistischen Ämter den Anforderungen der nationalsozialistischen Machthaber nicht entziehen konnten und zum Teil selbst den Anpassungsprozeß vorantrieben. Der Konflikt zwischen dem Bestreben, das Statistikgeheimnis zu wahren und der amtlichen Statistik weiterhin ein breites, für korrekte Ergebnisse unablässiges Vertrauen in der Bevölkerung zu erhalten, und den Anforderungen, die ein totalitärer Staat an eine seiner Institutionen stellt, wurde besonders unter den Bedingungen des Zweiten Weltkrieges immer öfter zu Gunsten der letzteren entschieden. So entstanden auf Wunsch des Reichsinnenministeriums und der SS aus den individuellen Daten der Volkszählung von 1939 Karteien, die u. a. der Germanisierungspolitik in den Grenzgebieten des Deutschen Reiches (einschließlich des Sudetengebiets und Österreichs) dienen sollten.