Feuilleton und politische Berichterstattung sind sich in ihrem Urteil über das Russland Wladimir Putins recht einig: Mit dem, was wir uns unter einer Demokratie vorstellen, hat Das System Putin wenig zu tun. Diese Einschätzung sei einerseits zwar nicht falsch, gesteht Gabriele Krone-Schmalz gerne zu, aber die Wahrnehmung dessen, was in Russland tatsächlich passiert und die allgemeine Berichterstattung darüber seien voreingenommen und gegenüber der tatsächlichen Politik Russlands auch nicht fair. Eigentlich habe sie über Russland gar kein Buch mehr schreiben wollen, bekennt die Osteuropa-Spezialistin und frühere Moskau-Korrespondentin der ARD. Alles habe seine Zeit und sie hätte eigentlich ganz andere Pläne gehabt. Nun aber fühle sie sich „verpflichtet, sich zu Wort zu melden: als jemand, der die alles entscheidende Umbauphase in der Sowjetunion hautnah an Ort und Stelle erlebt hat, und zwar mit einzigem Wohnsitz in Moskau; als jemand, der sich seit dieser Zeit hauptsächlich mit Russland befasst und die sichere Anstellung bei einer öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt aufgegeben hat, um sich weiter diesem Thema widmen zu können (…) und schließlich als jemand, der aufgrund seiner inneren und äußeren Freiheit keine Rücksicht auf Trends nehmen muss“. Und der Trend der Berichterstattung über Russland erwecke beim Publikum einen falschen Eindruck über die tatsächlichen Geschehnisse und lade zum Rückfall in alte, aus dem Kalten Krieg stammende Klischees ein. Einen solchen Rückfall aber hält Krone-Schmalz mit einigem Recht für gefährlich. Und deshalb versucht sie mit ihrem Buch — ohne irgend etwas zu beschönigen — ein realistischeres, vorurteilsfreies Bild von der gegenwärtigen politischen Lage in Russland zu zeichnen. Man muss der Autorin nicht in all ihren Einschätzungen zur russischen Energie-, Wirtschafts- oder Sicherheitspolitik, zur Rolle der Zivilgesellschaft oder zu den Tschetschenienkriegen folgen, um anzuerkennen, dass sie tatsächlich manches Klischee in unserer Wahrnehmung zurechtrückt: Indem sie die Dinge in ihrem Zusammenhang darstellt, gelingt es ihr zu zeigen, weshalb so mancher westlicher Kommentar zur Politik Russlands nicht so sehr das Ergebnis kühler Analyse ist, als vielmehr das Ergebnis überkommener Reflexe. Und so gibt dieses lesenswerte Buch Antwort nicht nur auf die Frage Was passiert in Russland?, sondern vor allem darauf, was, warum und wie darüber in unseren Medien berichtet wird und was sich daran ändern sollte. — Andreas Vierecke, Literaturanzeiger.de