In Tschechien trinkt man bekanntlich nicht zum Essen, sondern isst zum Trinken. Ein beeindruckender Bierkonsum belegt dies auf anschauliche Weise. Mit 160 Litern pro Jahr und Kopf dürfen sich die Tschechen nämlich in dieser Rubrik Weltmeister nennen. Um bei einer Reise im Geburtsland des Pilseners dennoch einen klaren Kopf zu bewahren, bedarf es eines klaren Reisehandbuchs. Der Michael-Müller-Band Westböhmen & Bäderdreieck erfüllt durch seine übersichtliche und pragmatische Aufteilung diese Forderung mit Bravur und ist dennoch alles andere als nüchtern. Dafür sind die Texte zu frisch geschrieben, die Themen zu vielseitig, die Stadtkarten zu bunt und die Infos zu umfassend. So erfährt der Leser, dass eine Vielzahl deutscher Gartenzwerge von den böhmischen Grenzregionen her „einwandert“, dass die Gründerfamilie von Mc Donald’s ursprünglich aus Pilsen stammt oder die Prager Karlsbrücke unter anderem aus Eiern gebaut wurde. Neben derartigen Anekdoten finden sich auch erstaunlich viele praktische Informationen — deutlich mehr, als in vergleichbaren Reiseführern. Durch zahlreiche textliche Querverbindungen erhöht sich außerdem die Chance, wichtige Tipps tatsächlich zu registrieren. Konkretes Beispiel: Auf den Hinweis, dass die Einreise den Abschluss einer privaten Krankenversicherung dringend erforderlich macht, stößt der Leser in den unterschiedlichsten Kapiteln. Wenn die jungen Autoren Michael Bussmann und Gabriele Tröger die Schwierigkeiten der vokalarmen Sprache demonstrieren wollen, wird es mitunter richtig komisch: dann konstruieren sie Sätze wie „str? prst skrz krk“, was so viel bedeutet wie „Stecke den Finger durch den Hals“. Eigentlich darf man dem gesamten (Sprach-)stil das Etikett „jugendlich und flott“ anheften, wenngleich das Buch gerade durch die Beschreibung vieler Kurorte auch für fortgeschrittene Semester absolut empfehlenswert ist. Diese Leserschaft folge dann den Trinktipps bezüglich heilender Quellwässerchen, während Backpacker wahrscheinlich größeres Interesse am oben erwähnten Nationalgetränk und ihren Schankstätten zeigen dürften. Eine diesbezüglich große Auswahl bietet im Übrigen das „goldene“ Prag, das zwar nicht in Westböhmen, dafür aber auf den Reiserouten der meisten Besucher liegt und demnach komfortable 65 Extra-Seiten bekommen hat. –Jan König
— Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.