Wer Ingenieurwissenschaften studiert hat, kennt die Culmann-Gerade. Die Person dahinter war Karl Culmann, Student in Karlsruhe, bayrischer Eisenbahnstreckenbauer und Professor für Ingenieurwissenschaften in Zürich. Bis heute wird Paris vom Eiffelturm überragt, konstruiert vom Culmann-Schüler Koechlin nach dem Grundprinzip Culmanns: Kräfte sichtbar machen.Um 1850 bereiste Culmann England und Amerika. Daraus ging seine Fachtheorie hervor, der erste Schritt zu einem komplexen System, mit dem Reißwerkzeug statische Verhältnisse zu berechnen, das Ingenieure bis Anfang des 20. Jahrhunderts anwandten. Culmann hat jedoch auch charmant-bissige Reiseberichte verfasst, voller Sinn fürs kuriose Detail und versehen mit brillanten Analysen der englischen und amerikanischen Lebensverhältnisse.Dies ist die Biographie des Pfarrersohnes aus der Pfalz mit raschem Verstand, des bayrischen Eisenbahnstreckenverlegers, der zum Vergnügen Mathematik betrieb, des Professors in Zürich, den seine Studenten zwar nicht verstanden, aber liebten, und des rastlosen Gutachters, der fast sämtliche Schweizer Wildbäche erwanderte und dem schließlich eine Reise nach Istanbul zum Verhängnis wurde.Das Buch ist aus Bertram Maurers Arbeit über „Karl Culmann und die graphische Statik“ hervorgegangen. Doch wo die sorgfältige Recherche des Technikhistorikers und Mathematikers in den Archiven an ihre Grenzen stoßen musste, erlaubt sich die Kunsthistorikerin und Krimiautorin, Christine Lehmann, den Menschen Culmann und seine Familie in ihre Zeit einzuordnen. Was hat Jules Vernes „Reise um die Welt in 80 Tagen“ mit Culmanns Amerikareise zu tun? Wie lebte das Bürgertum? Und was haben Theodor Fontanes Romane und ein kubistisches Bild mit der graphischen Statik gemeinsam?Ein Buch nicht nur für Ingenieure und Techniker mit historischem Interesse, sondern auch für Schöngeistige, die gern einmal den Blick auf Brückenkonstruktionen und auf Planimeter riskieren.