Der Titel Jahre der Politik, den Roman Herzog für seine politische Biografie gewählt hat, ist eigentlich ein Understatement. In Wahrheit nämlich hat der gelernte Jurist sein ganzes Leben der Politik gewidmet. In unterschiedlichsten Funktionen und Ämtern — als Hochschullehrer in München und Berlin ebenso, wie als Parlamentarier und Minister, als Präsident Bundesverfassungsgerichts und schließlich als Bundespräsident — hat er der bundesdeutschen Demokratie über Jahrzehnte nach Kräften gedient. Für das höchste Amt im Staate hatte er sich nicht zuletzt mit der ihm eigenen souveränen Besonnenheit empfohlen, die ihn in manchen Augen vielleicht ein wenig blass hat erscheinen lassen. Doch gerade, weil ihm das in den Arenen des Politischen ansonsten übliche Gepolter völlig fremd war, wird man sich seiner nicht zuletzt wegen der beinahe schon legendären „Berliner Rede“ vom April 1997 erinnern, in der er in einer von ihm ungewohnten Schärfe forderte: „Durch Deutschland muss ein Ruck gehen!“ Die Rede von damals hat von ihrer Aktualität bis heute nicht viel verloren. Auf den „Ruck“ warten wir bis heute; Komplexität und Dringlichkeit der Aufgaben, die sich für die Politik aus der Globalisierung oder im Rahmen der europäischen Einigung ergeben, aber auch im Hinblick auf den technischen Fortschritt mit seinen Chancen und Risiken, haben seither eher noch zugenommen. Außer einer politisch-reflexiven Lebensrückschau gibt der Autor, wie sich das für eine politische Biografie gehört, auch manchen Einblick in persönlichere Erinnerungen und Reflexionen. Dies vor allem in den Exkursen, die er den einzelnen Kapiteln jeweils unter der Überschrift „Apropos“ angefügt hat. In ihnen geht er zum Beispiel Fragen über „Die Liebe des Mannes…“ oder „Die Kraft der Assoziation“ nach. Aber auch die Erinnerungen an seine Reisen als Bundespräsident und die großen und kleinen Akteure der Weltpolitik, die er dabei getroffen hat, sind hier zu nennen. Alles in allem bietet Jahre der Politik also das, was man von einem solchen Buch erwartet. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. — Hasso Greb, Literaturanzeiger.de
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