So minimalistisch der Buchtitel, so programmatisch die Unterzeile des neuen Buches von Frank Schirrmacher: Vom Vergehen und Neuentstehen unserer Gemeinschaft. Der eigene Anspruch des Autors ist hoch und der an die Leser ebenfalls. Doch wie schon beim Methusalem-Komplott hält sich Schirrmacher nicht bei apokalyptischen Prophezeiungen auf, sondern entwickelt sein Thema an beeindruckend einfachen, einleuchtenden Beispielen. Er geht zurück ins Amerika des 19. Jahrhunderts und beschreibt, wie eine Gruppe von Menschen versucht, den Wilden Westen zu erobern. Eine Passüberquerung wird zu ihrem persönlichen Golgatha. Hier entscheidet sich, wem mit welchen Strategien das Überleben gelingt. Erfolgreich sind die Familienverbände und nicht — wie man vermuten könnte — die starken, jungen, männlichen Einzelkämpfer. Schirrmacher ist ein Querdenker, zieht ohne Scheu und falsche Ehrfurcht aus allen für das Thema relevanten Wissenschaften Fakten und Schlüsse. Er stellt die richtigen Fragen, erarbeitet die Antworten und gibt so dem Leser die Chance, ihm auf dem Weg zum Ziel zu folgen. Eine seiner Grundfragen lautet: Wie können wir überleben angesichts dieses von uns selbst herbeigeführten Minimums an Kindern? Er führt uns vor Augen, dass wir schlichtweg vergessen haben, dass Familien eine existenziell wichtige Funktion erfüllen. Er weist mahnend darauf hin, dass die gefahrlose und in allem versorgte Welt ein kurzfristiger Ausnahmetatbestand der Geschichte war. Das fast altmodische Wort Altruismus ist einer der Schlüsselbegriffe in Schirrmachers Buch; der Altruismus, den man nur in der Familie lernen kann. Der Autor legt keine kühle, intellektuelle Analyse des demografischen Wandels in Deutschland vor, sondern behandelt das Thema mit viel Empathie. Er betrachtet vor allem die westdeutsche Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg, Ostdeutschland kommt erst nach 1989 vor. Im Buch erfährt man nicht nur viel Neues über die Themen Familie und Kinder, sondern wird auf wichtige Zusammenhänge gestoßen und findet präzise formulierte Einsichten. Das macht den Spaß beim Lesen — und vor allem beim Weiterdenken — aus. –Mathias Voigt
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