Verzagte Lehrer, aufgebrachte Eltern, gleichgültige oder zynische, uneinholbar entfremdete oder zum Verzweifeln angepaßte Schüler — schuld daran sei „die Öffentlichkeit“, weil sie so widersprüchlich urteile, klage und fordere. Das beklagt Deutschlands wohl bedeutendster Reformpädagoge, Hartmut von Hentig, in seinem jüngsten Buch. Beschreibt er auch Auswege? Nun: Der Lehrer der Lehrer trübt die Hoffnung, „mit dieser oder jener Forderung sei irgend etwas zu bessern.“ Gehe es um Werte-Erziehung, und darum soll es in seinem Buch gehen, so sei sie der Schule sogar eine „bedrohliche Forderung“, die, fordert von Hentig, zu „entzaubern“ sei. Die teils widerstrebenden Werte zu vermitteln, das solle „in erster Linie von der Polis als Ganzer bewältigt werden“. Das Totschlagargument „gesamtgesellschaftlicher Zusammenhang“ frisch formuliert — daß Pädagogen damit gerne ihren Schwarzen Peter zurückgeben, ist nicht neu. Von der Schule nun verlangt der renommierte Oberlehrer, sie solle befähigen, Neues zu prüfen und, was zu bewahren ist, mit neuen Mitteln erhalten. Wie Lehrer das im Alltag verwirklichen sollen, davon schreibt der Altmeister leider weniger als man von ihm erhoffen darf. Ausführlicher diskutiert der 73jährige „Erfahrungsfelder“ der Werte wie Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit. Manches Mal schweift er ab, wobei ja eine gewisse Geschwätzigkeit nötiges Berufsgerät für Pädagogen ist. Daß er aber beispielsweise erst nach 68 Seiten festmacht, worüber er überhaupt spricht, ist schon einigermaßen ärgerlich. Kern seiner Definition: Werte werden bestimmt, bestehen aber seit jeher. Es gebe „zwölf bis fünfzehn“. Er bleibt vage, listet sie nicht auf — ganz bewußt. Denn, betont von Hentig, nicht ihr Auswendiglernen wertet die Werte wieder auf, sondern die Erfahrung, daß sie etwas taugen. –Frank Rosenbauer
— Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.