Brisantes Thema, gut lesbares Buch: Es dürfte Furore machen. Susanne Gaschke stellt Fragen über Fragen, die meisten politisch höchst unkorrekt. Zum Beispiel, ob der Konsens, dass Kinder staatlich betreut werden müssen, damit Mammi und Pappi Geld verdienen können, wirklich so toll ist? Ob die Dogmen der Kindergartenerziehung oft nur die schiere Faulheit und Erziehungsunfähigkeit des Personals kaschieren? Ob die Kriterien der Jugendhilfe Unverantwortlichkeit geradezu züchten (und damit Jahr für Jahr Milliarden verballern, ohne jede Erfolgskontrolle)? Ob die Grundschulen ihrer Aufgabe noch gerecht werden und die Anhäufung immer neuer Anforderungen (sprachliche Früherziehung, Integration etc.) die Schule nicht von ihrem Erziehungsauftrag entfernt? Ob sich hinter Internet- und Medien-Euphorie als Heilmittel für Gymnasial- und Universitätsbildung mehr verbirgt als schiere Resignation? Kenntnisreich führt die Autorin Beispiel auf Beispiel vor. Und der Rezensent, privat Vater, beruflich an der Uni, kann nur sagen: Ja, kenne ich, habe ich auch schon gedacht. Aber wenn man es ausspricht, gilt man als reaktionärer Knochen. Viele werden aufschreien. Gaschke ficht Dogmen und greift Pfründe an. Und beim Besitzstand hört bekanntlich die Einsichtsfähigkeit auf. Auch die Autorin scheint nicht frei davon: Die Idee zum Beispiel, dass Weiterbildung von Lehrern (beliebter Ausfallgrund für Schulstunden) sehr gut in den Ferien stattfinden könnte, kommt auch ihr nicht. Einziger Einwand: Die gegenwärtige Misere beruht nicht nur auf falschem Denken. Schulen und Unis sind auch kaputt gespart worden. Wenn es schlecht läuft, werden populistische Politiker Gaschkes Argumente dazu benutzen, noch mehr zu streichen. Ein verdienstvolles Buch bleibt es trotzdem. –Michael Winteroll
— Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.