„Gibt es Menschen, die es fertigbringen, die Welt genauer zu sehen, als sie ist?“, schreibt Dietmar Dath über den britischen Physiker Paul Dirac (1902-84). Und, ja, es gibt solche Menschen, und, nein, die Wahrnehmung wird durch den genauen Blick nicht deutlicher, sie verschwimmt immer mehr. Für Schriftsteller David, der an einer Biografie über Dirac arbeitet. Für Informatiker Paul, der ein geheimnisvolles Programm testet. Für Künstlerin Johanna, die Probleme mit ihrer Familie hat. Einzig Pauls Freundin Nicole sieht, was Sache ist. Sie ist aber schizophren und hat so von Haus aus einen eher ungenauen Blick auf die Welt. Daths Roman ist ein höhnisches Lachen über die Sphäre der Naturwissenschaft, die glaubt, irgendetwas zu verstehen, nur weil sie die Zahlen versteht – damit ist der Autor ganz nah am Weltbild der Esoterik. Einmal greift er auch tief in die entsprechende Klischeekiste, indem er die Behinderte als Mittlerin zur Geisterwelt etabliert. Wo aber die klassische Fantasy ihre Nähe zu autoritären Weltbildern nie verleugnen kann, stellt Dath seine Figuren in einen emanzipatorischen Kontext: Sie sind Ex-Kommunisten, die sich nach dem Mauerfall halbwegs eingerichtet haben zwischen akademischem Mittelbau und Prekariat. „Dirac“ wird so zu einer Art linksintellektuellem Fantasyroman, und das ist als Konzept ja schon ziemlich originell. (fis)
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