Ihre Werke sind unsterblich und von zeitlosem Erfolg, während die Schöpfer nicht selten von Seelenqualen und körperlicher Pein, oft bettelarm und in vollkommener Einsamkeit dahinschieden. Viele der großen Komponisten sind lange vor ihrer Zeit gegangen, wurden kaum vierzig Jahre alt, wie Franz Schubert, Carl Maria von Weber oder Felix Mendelssohn-Bartholdy. Über ihr Leben und Leiden wissen die meisten Konzertbesucher wohl nur wenig. Dieter Kerners Biographien und Krankengeschichten berühmter Komponisten, die 1963 erstmals erschienen, sind nun von Hans Schadewaldt grundlegend überarbeitet und ergänzt worden. Von Bach über Chopin und Dvorák bis Schönberg reichen die detailliert recherchierten und auch musikhistorisch fundierten Darstellungen von über zwanzig großen Meistern, wobei es zuweilen so scheint, als seien physische Hinfälligkeit und psychisches Ungleichgewicht mit dem schöpferischem Genius geradezu untrennbar verbunden: Robert Schumann, dessen innerer Zwiespalt ihn zu einem Suizidversuch verleitete, der ewig kränkelnde Niccolò Paganini und sein diabolisches Geigenspiel, oder Anton Bruckner, dessen Wesensveränderungen und Todeswehmut ihm vielleicht „die Kraft zur Verkündigung des göttlichen Mysteriums“ verliehen. Der aufmerksame Hörer kann in vielen ihrer Werke auch heute noch einen Teil ihrer Leiden nachempfinden. So hat Beethoven seinem quälenden Ohrenleiden in seiner c-moll-Sinfonie mit fünfzehn Takten monotoner Paukenschläge Ausdruck gegeben und Friedrich Smetana hat seine einsetzende Taubheit, „die schreckliche Katastrophe in meinem Schicksal mit dem hellpfeifenden „e“ im Finale [des Streichquartetts e-Moll] zu schildern getrachtet“. Dieses Buch und seine Idee vereinen die allbekannten Kunstwerke in einer denkwürdigen Art und Weise mit ihren Schöpfern. Zwar ist das medizinische Vokabular für den Laien streckenweise unverständlich, das ist aber nicht wirklich störend. Dazu ist die Deutung und Interpretation der Überlieferungen aus heutiger Sicht viel zu bewegend und dabei — gerade auch im Hinblick auf die bis heute ungeklärten Todesumstände Mozarts — niemals besserwisserisch oder effektheischend. –J. Schüring
— Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.