Nach einer Serie von Arbeitsunfällen gönnte ich mir eine kleine Auszeit von Familie und Kuhstall und machte mich im Mai 2006 auf den Weg nach Santiago de Compostela. Ich wollte den Jakobsweg, begleitet von zwei Freundinnen, innerhalb drei Jahren, in Etappen von jeweils zwei Wochen, gehen. Doch wie es immer ist im Leben, so war es auch hier: Je genauer die Planung, desto chaotischer die Ausführung. Waren wir im ersten Jahr noch zu dritt, so zogen wir für die zweite Etappe bereits nur zu zweit los. Den Rest ging ich schließlich mehr oder weniger alleine. Ich hatte im Vorfeld gelesen, dass die Hauptroute, der Camino francés, sehr überlaufen sein sollte und wählte daher den Küstenweg für mein Vorhaben aus. Doch auch die lokalen Pilgerwege nach Santo Toribio de Liébana und Covadonga wurden ebenso Teil meines Pilgerweges, wie die Ruta de la Reconquista, die durch das Küstengebirge Nordspaniens, die Picos de Europa , führt.Der Weg wurde für mich zum Wechselbad der Gefühle. Aufregung, Einsamkeit, Angst, Spaß, Erschöpfung, Lachen, Weinen, Zufriedenheit, Resignation und pure Lebensfreude wechselten oft schneller als das Wetter. In meinem Buch versuche ich, meine Erlebnisse, Gedanken und Gefühle auf möglichst humorvolle Weise wiederzugeben. Ich begegnete vielen freundlichen Menschen: einem älteren Paar, das sich für den Jakobsweg und ihre Herberge aufopfert, einem Herbergsvater, der lieber komponiert als seine Gäste zu bewirten, einem alten Pfarrer, der aussah wie Petrus persönlich, einem Bürgermeister, der uns einen ganzen Tag lang durch seine Stadt führte. Ich wurde von zwei Frauen bei Nacht und Nebel auf einsamer Straße aufgegabelt und ein paar Tage später von zwei Männern am hellen Tag beinahe überfallen. Ich betreute eine Pilgergruppe, die sich, mehr oder weniger versehentlich, einen ordentlichen Rausch angesoffen hatte. Ich lernte einen alten Schauspieler und Autor kennen, mit dem ich einen ganzen Nachmittag plaudernd verbrachte, wurde von einer echten Hexe angesprochen, und traf beinahe täglich einen Engel, der mir in irgendeiner Weise weiterhalf. Und dann war da noch ein Mensch, den ich schon sehr lange zu kennen glaubte, und dessen Handeln, Denken und Fühlen mich dennoch überraschte: ich begegnete mir selbst!