Europa, ist das die kommende Wirtschaftsmacht auf der globalen Bühne? Oder ist es doch nur das „alte Europa“, von dem der amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld so herablassend sprach: ein Kontinent, der seine Zeit bereits hinter sich hat? Die Wachstumsraten sind enttäuschend, die Arbeitslosigkeit nach wie vor hoch; weder der Euro noch der Binnenmarkt haben den einstigen Motor der Weltwirtschaft wieder auf Touren gebracht. Schlechte Aussichten also, zumal die große Herausforderung noch wartet. Was für Deutschland gilt, das gilt auch für den Kontinent: Die Überalterung der Bevölkerung wird zur dramatischen Belastungsprobe. „Ach Europa!“ Mit diesem Seufzer überschreiben die Autoren Jürgen Kluge und Heino Fassbender denn auch den ersten Teil ihres Buches Wirtschaftsmacht Europa. Der beschäftigt sich mit der Krise, die den Kontinent beutelt. Nüchtern, fundiert und faktenreich analysieren die Autoren aus dem Stall McKinsey die europäische Krankheit. Ihre überraschende These: Im Vergleich mit den USA ist Europa „nicht so sozial wie es glaubt“. Grundlage der Analyse ist ein neuer „Quality-of-Life-Index“, der gleichermaßen Wirtschaftskraft und Lebensqualität misst und, so die Autoren ambitioniert, „als Wegweiser für die Wirtschaftpolitik dienen könnte“. Trotz der düsteren Wolken am europäischen Himmel sind Kluge/Fassbender zuversichtlich. Ihr Titel ist Programm. Sie sind überzeugt, „dass es einen europäischen Weg zur Spitze gibt“. Über welche Stationen der führen könnte, beschreiben sie im zweiten Teil ihres Buches: „Smart Regulation“ statt Überregulierung, ein neu definiertes europäisches Staatswesen und mehr „Deutungshoheit“ für europäische Unternehmen, Branchen und Regionen. Dies meint die Fähigkeit, Spielregeln zu bestimmen und Maßstäbe zu setzen, und das in wirtschaftlichen Erfolg umzumünzen. Kluge und Faßbender säen Optimismus, ohne den Boden aus den Augen zu verlieren, auf dem die Saat gedeihen soll: Wenn Europa an die Spitze will, dann „müssen europäische Wertvorstellungen den Wandel prägen — anstelle vermeintlicher Erfolgsrezepte aus Übersee“. Sehr lesenswert. –Winfried Kretschmer
— Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.