Das Leben in 38 Tagen – mein Abenteuer Jakobsweg In einer tiefen Lebenskrise, bei der ich unter anderem mit 50 Jahren gerade wieder eine Arbeitsstelle verloren hatte und wo mir nach vielen Enttäuschungen jeder Elan fehlte, stieß ich Weihnachten 2006 – für mich zum genau richtigen Zeitpunkt – auf Hape Kerkelings Buch „Ich bin dann mal weg“. Von Beginn an war ich von der Erzählweise und der Mystik des Jakobsweges so fasziniert, dass ich nur wenige Wochen später meine Sachen packte und den gesamten Camino Frances von Sankt Jean Pied de Port bis Santiago de Compostella lief. Ohne Fotoapparat und ohne Handy habe ich meine täglichen Erlebnisse in einem dünnen A5 Heft festgehalten und als ich zu Hause alles genauer aufgeschrieben habe, bin ich diesen Weg in Gedanken noch einmal gelaufen. Es war so ein besonderes Erlebnis, dass ich einfach das Bedürfnis hatte, die intensiven und vielseitigen Eindrücke festzuhalten und vielleicht auch anderen mitzuteilen. Alle, denen ich bisher daraus vorgelesen hatte, schienen beeindruckt. Ich denke, dass viele Menschen, besonders in der heutigen Zeit mit ähnlichen Problemen wie Arbeitslosigkeit, enttäuschten Erwartungen und zu hohen Ansprüchen an sich selbst und andere zu kämpfen haben. Auch die Schwierigkeit des Loslassenkönnens spielt (besonders für mich) eine große Rolle. Der Jakobsweg bot mir eine Möglichkeit, einmal aus dem Hamsterrad der täglichen Gewohnheiten und vor allem der scheinbaren Ausweglosigkeit auszubrechen und in Ruhe und mit Abstand über mein bisheriges Leben und meine Zukunft nachzudenken. Viele Dinge haben mich auf dem Jakobsweg nachhaltig beeinflusst, aber das Erstaunlichste für mich war die Begegnung mit der österreichischen Hospitalera Julia, die ihr gutes Leben am Wiener Theater für ein sehr einfaches Leben in einer alten Scheune eingetauscht hatte. Sie erklärte mir – einen Tag nach meinem glimpflich verlaufenen Sturz – dass der Camino wie das Leben sei, mit allen Höhen und Tiefen, Freuden und Schmerzen. Genauso habe ich diesen Weg empfunden, wie das Leben in 30 Tagen! Ich habe viele Bücher über Menschen gelesen, die den Jakobsweg gegangen sind und jedes hat mich auf seine Weise berührt. Jeder empfindet den Weg anders, so wie jeder auch sein Leben anders empfindet, aber vielleicht kann ich anderen Menschen in einer ähnlichen Situation mit meiner Sichtweise und mit meinen persönlichen Erlebnissen etwas geben oder gar Mut machen, etwas Neues zu beginnen. Dabei muss natürlich jeder selbst herausfinden, was am besten zu ihm passt. Der Camino hat mir auf jeden Fall geholfen, mein Leben wieder von einer dankbareren Seite zu sehen. Ich weiß, dass es ein Privileg ist, den Jakobsweg in seiner ganzen Länge laufen zu können, dass man die Zeit, etwas Kleingeld und die Unterstützung seiner Familie dafür braucht. Vielleicht macht ja einigen Menschen auch nur das Lesen und Teilhaben an meinen Erlebnissen Spaß. Das würde mich sehr freuen.