Die Familie sei bedrohter denn je, und Eva Herman schickt auf 245 Seiten die Arche Noah zur Rettung. Generationen und Familien zerfallen, Männer und Frauen dümpeln ohne Rollen-Zukunft vor sich hin, der Bogen ist weit gespannt und die Nachricht eindeutig: Wir leben und driften in einer „orientierungslosen Gesellschaft“. Irgendwie scheinen mit Eva Herman die Pferde durchzugehen: da schlugen die Wogen hoch nach der Veröffentlichung ihres Buches „Das Eva-Prinzip“, nun legt sie nach, tritt Visionen einer vermeintlich untergehenden Familienstruktur in fast biblischem Missionsgehabe entgegen. In großem Rundumschlag, vom Bau der Arche Noah bis heute, wittert die einstige Tagesschau-Sprecherin und gefeuerte NDR-Moderatorin nur Übles und Schädigendes. Kinder, Frauen und Männer, alle sind gefährdet, Drogen, Alkohol, der falsche Umgang mit Computer und Fernsehen, fehlende Werte und Normen, schrumpfender Einsatz für Familie, Verwandtschaft und Freunde. Es sei schlichtweg fünf vor zwölf. Herman berichtet von allein erziehenden Frauen, sie seien die Heldinnen des Alltags. Komisch aber, dass der Nachgeschmack bleibt, diese „Heldinnen“ seien selbst Schuld an ihrer Situation und daran, dass der Mann und Vater ihrer Kinder weg sei. Dramatisch geradezu auch ihre Analyse der frühkindlichen Erziehung, auch wenn sie glücklicherweise beruhigend in dem Fazit endet. „Nicht jedes Kind wird zum Autisten.“ Zugegeben, Eva Herman, die so lange Jahre stets für Verbindlichkeit und Seriosität stand, sie ist bemerkenswert ehrlich in ihren Büchern, fast naiv ehrlich, gibt eigene Niederlagen und Erkenntnisse offenherzig zu, ja geradezu preis. Sicherlich sind auch manche ihrer Standpunkte, zitierte Untersuchungen, Forschungsergebnisse und Studien nicht in Bausch und Bogen zu verdammen. Sicher ist auch familien- und sozialpolitisch in unserem Lande nicht alles zum Besten bestellt. Aber Eva Herman vergibt und verschenkt mögliche Chancen durch ausgeprägtes manipulatives Schwarzsehen. Mit der Hammer-Methode versucht sie, auch dem letzten Leser klar zu machen, warum Männer bereits „ihr Heil in alten Heldenmythen“ suchen. Dies alles, immer wieder religiös durchzogen und sehr emotional gefärbt, erreicht nicht selten skurrile und unfreiwillig komische Höhepunkte. „Dürfen wir noch wahre Kerle sein?“ Das fragen sich angeblich immer mehr Männer. Wer derart familiäre Szenarien skizziert, vor Weicheiern und durchgeknallten Feministinnen warnt, die Sintflut am Horizont mutmaßt und auf die Arche ruft, der entzieht sich nicht nur jeder belebenden und konstruktiven Diskussion, jeder sachlichen gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung, sondern macht sich mit seinem Anliegen unglaubwürdig. Barbara Wegmann