Copyright: Aus Das Buch der 1000 Bücher (Harenberg Verlag) Der kleine LordOA Little Lord Fauntleroy OA 1886 DE 1889 Form Kinderroman Epoche Realismus Die Erzählung vom kleinen Cedric aus New York, dem es gelingt, die Menschenfeindschaft seines englischen Großvaters, des alten Earl of Dorincourt, zu besiegen und die Familie zu versöhnen gilt als ein Klassiker der internationalen Kinderliteratur. Entstehung: Der kleine Lord ist der erste Kinderroman von Burnett; sie verfasste ihn zur Unterhaltung ihres Sohnes Vivian, der offensichtlich auch die Züge des charmanten kleinen Helden prägte. Der Abdruck in einer Kinderzeitschrift (1885) rief so große Begeisterung hervor, dass das Buch gleich danach erschien.Inhalt: Cedric Erroll, genannt Ceddie, blond und blauäugig, ist das siebenjährige Kind eines früh verstorbenen englischen Grafensohns und seiner jungen amerikanischen Frau. Mutter und Sohn leben sehr bescheiden in New York, als der Rechtsanwalt Havisham sie mit der Nachricht überrascht, dass Ceddie künftig der Erbe eines Grafentitels (Earl of Dorincourt) und eines riesigen Vermögens sein wird. Zwei Brüder seines Vaters sind kinderlos verstorben, so dass der alte Earl nun den Sprössling seines dritten Sohnes, den er wegen seiner amerikanischen Heirat verstoßen hatte, anerkennen und auf seine künftige Rolle vorbereiten muss. Ceddie soll nun auf Schloss Dorincourt leben, während seine Mama im Dorf bleiben muss – worauf sie nur um ihres Sohnes willen eingeht. Ceddie selbst jedoch, der nicht nur besonders hübsch, sondern auch gewitzt und überaus mitfühlend gegenüber seinen Mitmenschen ist, gewinnt durch seine freundliche Art die Herzen aller – von den Dienstboten bis zu seinem mürrischen Großvater, der ihn zunächst sehr skeptisch empfangen hatte. Ceddies Mutter wird wegen ihres karitativen Handelns bald von den Dorfbewohnern verehrt. Das absehbare Glück aller wird nochmals in Frage gestellt, als die Witwe des ältesten Grafensohnes auftaucht und einen Sohn präsentiert, der vor Ceddie in die Erbfolge eintreten dürfte. Rettung bringen zwei alte New Yorker »Freunde«, der Schuhputzer Dick und Mr. Hobbs, der Kolonialwarenhändler. Sie haben aus der Presse von der Sensation erfahren und Dick erkennt in der Grafenwitwe und ihrem Jungen die ehemalige Frau seines Bruders Ben und deren gemeinsamen Sohn. Nun eilen die beiden nach England, um in einer dramatischen Gegenüberstellung die Betrügerin zu entlarven. Der achte Geburtstag des kleinen Lord Fauntleroy wird auf Dorincourt als klassenübergreifendes Freudenfest gefeiert: Der Earl versöhnt sich endlich mit seiner Schwiegertochter und sogar der Erzdemokrat Mr. Hobbs entwickelt so viel Sympathie für die Aristokratie, dass er sich als Schlosslieferant im Dorf ansiedelt.Aufbau: Der Roman gewinnt seinen Reiz aus dem durchgängigen Gegensatz von amerikanisch-demokratischer und britisch-aristokratischer Lebensweise und Wertordnung. Hinzu kommt eine ausbalancierte Mischung von rea-listischen und idealisierten Zügen, wie etwa der Andeutung sozialer Missstände einerseits und dem Mythos vom »idealen Kind« andererseits. Stilistisch macht ein sicheres Gefühl für humoristische Wirkung selbst die sentimentalen oder moralisierenden Passagen des Buchs auch heute noch erträglich. Dass nicht nur Vorurteile und private Verbitterung, sondern auch soziale Ungerechtigkeiten überwunden werden durch die natürliche Güte eines Kindes (die wiederum in seiner Liebe zur Mutter wurzelt) – diese Botschaft der Erzählung macht zugleich ihre historischen und ideologischen Grenzen deutlich.Wirkung: Der kleine Lord war sofort ein großer Publikumserfolg, der durch eine Dramatisierung (1888) noch verstärkt wurde und zu einer buchstäblichen Lord-Fauntleroy-Mode für Kinder führte. Übersetzungen in alle Weltsprachen (darunter 23 deutsche seit 1889) zeugen vom Erfolg des Romans. Unter mehr als einem halben Dutzend Filmfassungen ragt die 1980 gedrehte Version mit Sir Alec Guinness (1914–2000) und Ricky Schroder (* 1970) als Großvater und Enkelsohn heraus. Nicht nur diese Besetzung, sondern auch die straffe und effektsichere Erzählweise machen den Kleinen Lord bis heute zu einem vorweihnachtlichen Kultfilm. J. V.
— Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.