Nie wieder Krieg. Nie wieder Auschwitz. Diese zwei Prinzipien galten nicht nur für Joschka Fischer unumstößlich. Doch dann marschierte die serbische Armee 1999 im Kosovo ein. Deutschland musste sich entscheiden, entweder „ethnische Säuberungen“ zuzulassen oder erstmals seit 1945 wieder Krieg zu führen. Folglich steht die Kosovo-Krise im Zentrum dieses politischen Rückblicks. Zudem erörtert der Ex-Außenminister und -Vizekanzler den rot-grünen Wahlsieg 1998, die anschließenden Regierungsgeschäfte, die Partei-, Nahost- sowie Europapolitik samt EU-Osterweiterung. Anekdoten erzählen von Schröders Haifischlächeln, einem schmuddeligen Hotel in New York oder davon, worüber sich Madeleine Albright einmal köstlich amüsierte. Staatstragend, offen und persönlich, mitunter ausschweifend erklärt, ja legitimiert der Politiker getroffene Entscheidungen. Der Leser jettet gleichsam mit Joschka Fischer durch die Welt — von Konferenz zu Krisenherd und zurück nach Berlin. Da Fischers Erinnerungen immer länger wurden und zwei angekündigte Erscheinungstermine verschoben werden mussten, reifte die Idee heran, seine Sicht der Dinge in zwei Bücher zu fassen. Deshalb reichen die vorliegenden Memoiren nur bis zum 11. September 2001. In einem zweiten Band wird Fischer die Zeit vom Terror-Anschlag auf das World Trade Center bis zur Bundestagswahl 2005 beleuchten. Laut Umfragen war Joschka Fischer jahrelang der beliebteste Politiker Deutschlands. Im politischen Alltag jedoch fühlte sich der Pragmatiker oft zwischen Bundeskanzler und grüner Partei wie „eingeklemmt zwischen Baum und Borke“. Keinen Hehl macht der charismatische Macher daraus, dass ihn Parteilinke wie Jürgen Trittin mit ihren grundsätzlichen Vorbehalten und anstrengenden Diskussionen nerven. „Politik kennt keinen Konjunktiv“, hält Fischer dagegen. So steht dieses Buch auch als Mahnung an Bündnis 90/Die Grünen, sich keinen politischen Illusionen hinzugeben. Vielmehr könne die Partei nur mittels realpolitischer Pragmatik zurück an die Regierung kommen. Und darum gehe es letztendlich in der Politik, so Realo Fischer überzeugt. –Herwig Slezak