“Das Ende der Geschichte” proklamierte Francis Fukuyama 1992. Der Politikwissenschaftler geht davon aus, dass sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die liberale Demokratie weltweit durchsetzen werde. Damit seien alle Widersprüche endgültig überwunden und die Geschichte zu Ende. Im Gegensatz dazu betitelt Joschka Fischer sein Buch mit „Die Rückkehr der Geschichte“. Denn allerspätestens seit der Terror-Attacke des 11. September 2001 ist nach seiner Auffassung klar, dass das Weltgeschehen dauerhaft aktiv gestaltet werden muss — und zwar primär durch die Politik, nicht durch die Wirtschaft. Detailliert thematisiert Fischer sowohl die aktuelle als auch mögliche künftige Rolle der einzigen Supermacht USA. Dabei sucht der Grünen-Politiker die Kontroverse zu konservativen Theoretikern wie Robert Kagan. Letztendlich seien USA und Europa aufeinander angewiesen und verfolgten wie in Nahost ohnehin gemeinsame Interessen. Der Außenminister geht zudem davon aus, dass China am ehesten zu den USA aufschließen können wird. Allerdings spricht auch Fischer nicht an, dass China aufgrund seiner Ein-Kind-Politik im Ergebnis ähnlich wie Europa vor einem dramatischen Überalterungsproblem steht. Weiter wirbt Fischer für die EU-Verfassung, eine erweiterte Union, eine EU-Perspektive der Türkei sowie eine strategische Partnerschaft mit Russland. Und der Außenminister warnt vor dem Islamismus, den er wie Kommunismus und Faschismus als totalitäre Gefahr brandmarkt. Globalisierung sieht der deutsche Vizekanzler als „objektive Notwendigkeit“ und definiert sie als „alternativlose Durchsetzung des westlichen Wirtschafts- und Konsummodells“. Amerikanisch-kühn bringt es Joschka Fischer sicher nicht auf den Punkt. Vielmehr prägt das Buch des Außenministers klassisch-deutsche Gründlichkeit. Vom alten Griechenland bis zur New Economy schweifen die weltumspannenden Gedanken des Grünen-Politikers. Den Status quo klopft Fischer wiederholt gründlich ab. Doch daraus entwickelte Szenarien bleiben oft vage. So fordert der Außenminister, dass die Vereinten Nationen reformiert werden müssen, um dem Frieden besser zu dienen. Viel konkreter wird seine Vision einer neuen Weltordnung jedoch nicht. Auf alle Fälle gerät Die Rückkehr der Geschichte aufgrund der vorgezogenen Bundestagswahlen zu einer Art Vermächtnis. Andererseits: Schnell geschlagen gab sich Joschka Fischer noch nie. –Herwig Slezak