Interview mit Jan Weiler Seine Antoniogeschichten über die italienische Familie, in die er einheiratete, sind legendär. Jetzt wagt er sich auf ein neues Terrain und erzählt die irrwitzige Geschichte von fünf Außenseitern, die nicht mehr funktionieren wollen und gemeinsam ein großes Fanal planen. Im Amazon.de-Interview verrät er mehr über seine tragischen Helden, die Sehnsucht nach medialer Aufmerksamkeit und sein nächstes Buchprojekt. Frage: Der Psychiater Dr. Zens schart fünf Patienten um sich, darunter ein Postbote, der Briefe zu Hause hortete, oder ein Busfahrer, der irgendwann an keiner Haltestelle mehr hielt und einfach weiterfuhr, bis der Tank leer war. Woher rührt Ihr Interesse an Menschen, die an den Punkt kommen, sich zu verweigern, alles hinzuwerfen? Jan Weiler: Es geht bei mir immer um Außenseiter. Antonio war einer, der Lesereisende aus dem Tagebuch „In meinem kleinen Land“ ebenfalls und sogar Adrian, die Hauptfigur aus „Gibt es einen Fußballgott“ ist ein Außenseiter. Mich interessieren solche gescheiterten Figuren einfach. Sie inspirieren mich mehr, als ein Held das könnte. Eigentlich sind sie meine Helden. Frage: Ist diese Drachensaat – um bei der griechischen Mythologie zu bleiben – die Nemesis der Mediengesellschaft? Jan Weiler: Naja. Sie möchte es vielleicht gerne sein, aber dafür ist diese Trümmertruppe viel zu ohnmächtig. Aber immerhin weisen die Mitglieder der Drachensaat-Gruppe auf viele Schwächen der Gesellschaft hin. Mehr kann man heute kaum erwarten. Frage: Dr. Zens‘ Auserwählte unternehmen eine irre Kommandoaktion. Denken Sie hier die Gesetze medialer Aufmerksamkeit einfach nur konsequent zu Ende? Jan Weiler: Vielleicht, ja. Es ist tatsächlich so, dass in vielen Fällen von kurzzeitiger Prominenz wirklich nur noch die mediale Präsenz zählt. Die hat zwar überhaupt keinen Wert an sich, wertet aber das Ego unglaublich auf. Sonst würden sich nicht so viele junge Menschen bei „Deutschland sucht den Superstar“ bewerben. Oder nehmen Sie die beiden Geiselnehmer von Gladbeck, Rösner und Degowski. Die hatten keinerlei Fluchtchance, inszenierten sich aber spätestens am zweiten Tag wie Medienprofis. Wahrscheinlich ging es ihnen unterbewusst um diese Art der Aufmerksamkeit. Frage: Wie in Ihren früheren Büchern können sich die Leser auf den typischen Weilerschen Wortwitz und den besonderen Sinn für skurrile Situationen freuen. Verfahren Sie da nach dem alten Valentin-Diktum, man solle das Leben nicht so ernst nehmen, wie es ist? Jan Weiler: Man muss es schon ernst nehmen, aber man sollte es nicht ernst schildern. Wenn ich ein ernstes Anliegen habe, muss ich es so unterhaltend wie möglich präsentieren, sonst will es keiner lesen. Das ist wie bei der Schluckimpfung: Man muss das Bittere im Süßen verpacken. Ich sehe das absolut als meine Aufgabe an, als Aufgabe von Schriftstellern überhaupt. Frage: Woran arbeiten Sie zurzeit? Ist schon spruchreif, was Jan Weiler als Nächstes vorlegt? Jan Weiler: Im Moment arbeite ich mit dem Illustrator Ole Könnecke an einem Kinderbuch. Das wird also wieder was ganz anderes. Ich habe es meinem kleinen Sohn versprochen, weil er sich beklagt hat, dass ich immer nur Erwachsenensachen mache und nie etwas für ihn. Diese Lücke wird nun geschlossen. Die Fragen stellte Henrik Flor, Literaturtest — Dieser Text bezieht sich auf eine andere Ausgabe:

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