Ich habe mir geschworen, nicht zu schweigen, ist wohl das Leitmotiv der Schreibarbeit Friedrich Grotjahns. Ihn interessieren vorwiegend Menschenschicksale, die von der jüngeren Zeitgeschichte entscheidend geprägt worden sind. Die Missachtung und Verfolgung politisch Andersdenkender und der Juden in der Nazizeit, aber auch die Ansätze des Widerstands gegen das unmenschliche totalitäre Regime, sowie die politischen und gesellschaftlichen nicht immer erfreulichen Entwicklungen in den ersten Jahren der Nachkriegszeit gehören zu den Schwerpunkten seines Erzählens. Das bestätigt erneut der vorliegende Band. Eine Gerechte, die authentische Geschichte einer Pfarrersfrau, die in ihrem Haus in einem niedersächsischen Dorf in den letzten zwei Jahren der Nazizeit trotz der persönlichen Gefahren ein jüdisches Mädchen versteckt. Das Mädchen besteht darauf, mit seinem richtigen zugleich aber von den Nazis allen Jüdinnen verordneten Namen Sarah genannt zu werden. Identitätsverlust, seelische Verwundungen, zwischenmenschliche Schwierigkeiten, die das Leben des Mädchens auch nach seiner Auswanderung nach Israel weiterhin beeinflussen. Die Geschichte ist aber auch eine Erinnerung an eine mutige Frau, deren selbstloser Einsatz für ein Naziopfer in der Öffentlichkeit unbekannt geblieben ist. Zu bedauern ist, dass solche lebensnahen und Zeitgeschichte dicht vermittelnden Erzählungen in den Lesebüchern für eine andere Deutschstunde heute nicht anzutreffen sind. Zwei Schwestern, Zwillinge, 1916 im Ersten Weltkrieg im Ruhrgebiet geboren, die eine den Zeitläuften angepasst, die andere widerspruchsvoll veranlagt. Der Untertitel erklärt die Erzählperspektive: Das unübersichtliche Leben der Hanna W., übersichtlich dargestellt von ihrer Schwester Lisbeth. Ein Zeitpanorama wird faktenreich, in der Diktion eher nüchtern, entfaltet, in dem geschichtliches und menschlich-schicksalhaftes Geschehen transparent wird, von den Anfängen der Nazizeit bis zum Ende der ehemaligen DDR. Hitlers umjubeltes Auftreten 1932 in der Dortmunder Westfalenhalle, die Nürnberger Rassengesetze, der Ausbruch des blutigen Zweiten Weltkriegs, die Befreiung von der Naziherrschaft, Wiederaufrüstung, die restaurativen Tendenzen in der Nachkriegszeit, Demonstrationen gegen NATO-Doppelbeschluss, Volkszählung und anderes bilden den geschichtlichen Erzählrahmen. Das Ganze, bildhaft recherchiert, nimmt den Leser mit auf eine ereignisreiche Zeitreise. Was der Autor mit diesen beiden Geschichten leistet, ist ein überzeugendes, ja beispielhaftes Schreiben als Erinnerungsarbeit. Auffallend ist, dass vor allem Frauen die Protagonisten seines Erzählens sind. Gekonnt porträtierte Frauen, die man so schnell nicht vergisst: die Eva Bormann in Ich habe mir geschworen, nicht zu schweigen, die Gerda Döhring in Eine Gerechte und Hanna und Lisbeth W. in Zwei Schwestern . In einer Zeit, in der Pop & Co die Literaturszene weitgehend für sich in Anspruch nehmen, ist es erfreulich, dass Geschichten wie die von Friedrich Grotjahn ihren Platz, ihren Zuspruch finden. (Hugo Ernst Käufer, Vorwort)