Yasmina Reza ist nach eigener Aussage Expertin für Figuren, die darum kämpfen, „im Werden zu bleiben“. Vor seiner Wahl zum französischen Staatspräsidenten nahm sie sich Nikolas Sarkozy vor und begleitete ihn vom Frühjahr 2006 an ein Jahr auf Wahlkampftour. Begeistert von der Person und überzeugt von den Hardlinerpositionen des Politikers, geht sie in ihrem Bericht bis ins Detail, bis hin zur Größe der jeweiligen Kiste, auf die der kleine Sarkozy klettert, bevor er seine Reden hält. Sie weiß auch, wann Schluss ist mit der Offenheit ihr gegenüber und konstatiert, nie einen seiner legendären Wutausbrüche mitgekriegt zu haben. „Dieses Privileg der Nähe ist mir noch verwehrt“, schreibt sie, und schon sind wir beim nächsten Wahlkampfauftritt. Yasmina Reza zieht uns rein in die riesige Maschinerie Wahlkampf und schafft es dabei immer wieder, den Fokus auf ein außergewöhnliches Wort oder auf ein Bild zu lenken, das von den Medien nicht vermittelt wird, weil dieses Wort oder dieses Bild nicht in die Inszenierung passen. „In normalen Zeiten wollen die Männer kein Glück. Sie wollen ihre Chance in der Schlacht“, schreibt Reza. Hätte sie noch ein paar Monnate weitergeschrieben, sie hätte kommentieren könne, wie sich Sarkozy zum Opfer des Gespötts der Medien machte, als er plötzlich sein Glück öffentlich zur Schau stellte. Aber da hatte Reza ihr Projekt ja vorzeitig beendet. (jw)