Es mag den einen oder anderen Zeitgenossen immer noch überraschen, aber Joschka Fischer beweist in seinen Büchern die Fähigkeit, unabhängig von überfrachteter grüner Ideologie die anstehenden Probleme der deutschen Politik anzugehen und gleichzeitig wohldurchdachte programmatische Vorlagen für die Linke in Deutschland zu liefern. Diesmal geht Fischer einer Frage nach, der sich bereits Politiker anderer Parteien gewidmet haben, nämlich wie sich die deutsche Gesellschaft entwickeln muß, um auch im 21. Jahrhundert bestehen zu können. Als Ausgangsbasis für seine Thesen erarbeitet Fischer zunächst die Problemschwerpunkte, die die derzeitige Krise ausgelöst haben. Er zeichnet die Schwierigkeiten, die sich aus der Globalisierung der Wirtschaft und damit einhergehend aus dem Umbruch der Arbeitswelt ergeben. Fischer begeht aber nicht den Fehler, diese vielzitierte Globalisierung einzig als Wirtschaftsprozeß zu sehen. Vielmehr verweist er auf eine umfassendere Bedeutung dieses Prozesses, der auch Umweltfragen, Unterentwicklung und Überbevölkerung in der Dritten Welt einschließt. Dabei malt er diese Entwicklung aber nicht einfach nur als Schreckgespenst an die Wand, sondern sieht darin auch Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des Bestehenden. Nicht ob die Globalisierung stattfinden sollte ist seine Frage, sondern wie wir die daraus resultierenden Probleme angehen. Fischer plädiert für einen europäischen Lösungsweg unabhängig von US-amerikanischen Deregulierungsmodellen mit allen ihren dramatischen sozialen Folgen. Losgelöst von eingefahrenen Modellen entwirft er eine eigenständige politische Konzeption. Ob Arbeitsmarkt-, Steuer- und Energiepolitik oder Rentensystem — kaum ein Aspekt bleibt unberücksichtigt, wenn Fischer seine umfassende Gesellschaftsidee entwickelt. Selbst wenn man nicht mit Fischers Meinung übereinstimmt, ist dieses Werk des Außenministers damit allemal lesenswert, um seine Standpunkte zu verstehen. –Joachim Hohwieler
— Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.