Immer wenn ich in der Schlange im Supermarkt stehe und die Anzahl von Kaufwütigen vor mir unerträglich groß ist, überfällt mich tiefe Traurigkeit. Ich betrachte die Kassiererin, mustere ihr Oberarme, verstehe das leidige Lächeln auf ihren Lippen und wünsche mir nur eins: Ich möchte nie mit ihr tauschen müssen. Auch Horst, unser Held, kennt die Sonnenseite des Lebens nur vom Hörensagen. Als Sohn biederer Eltern, die auf das Wirtschaftswunder wie auf die Bibel schwören, erblickt Horst Gurk in einem nordrhein-westfälischen Provinznest namens Troisdorf das Licht dieser Welt. Bereits im zarten Alter von fünf Jahren wird er nicht nur mit einer Kassenbrille ausgestattet, auch eine Zahnspange, die durch eine monströse Haltevorrichtung am Kopf befestigt ist, verschönert seine jugendliche Gestalt. In der Schule fällt Horst, inzwischen auch Pissgesicht genannt, durch dicke, kratzige Strumpfhosen auf, die die Mutter bei Kälte empfiehlt und bei denen er nicht umhinkommt, sich im Unterricht ständig und auffallend zu kratzen. Als selbst ein Bombenanschlag auf seinen Lateinlehrer ihm nur eine kurzzeitige Schulprominenz verschafft, entschließt sich Horst, unser Held, endlich sein Leben zu ändern. Und wie es manchmal der Zufall im Leben so will, gewinnt er als zehntausendster Besucher des Troisdorfer Puffes (natürlich nach seinem ersten Geschlechtsverkehr) eine Reise nach Vietnam. Sein Vater erfährt all dies aus der Regionalzeitung und stürzt sich umgehend aus dem Fenster. Seine treue Gattin überlebt ihn auch nur um wenige Stunden. Als beide endlich unter der Erde, Haus und Hof verkauft, macht sich Horst, unser Held, auf die große Reise. Auch wenn man sich nach der Lektüre wahrscheinlich nicht mehr für einen Kurztrip nach Fernost entscheiden wird, kurzweilig-flotte Lektürestunden garantiert Matthias Praxenthaler mit seinem Roman Horst, der Held allemal. Und für alle, die mit übertriebenen Klischees keine Schwierigkeiten haben und auf keinem Fall hinter der Supermarktkasse landen wollen, ist es wahrscheinlich eine Pflichtlektüre. –Jana Hensel
— Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.