Wer sich gegenwärtig über den Zustand des deutschen Gemeinwesens mit den Worten „So darf es nicht weitergehen“ äußert, braucht nicht zu befürchten, auf großen Widerspruch zu stoßen. Gewiss, unsere öffentlichen Kassen sind leer, und wir stehen vor einem minütlich in immer unermesslichere Dimensionen anwachsenden Schuldenberg. Unser Rentensystem ist nach dem Krieg auf Sand gebaut worden, jetzt steht es vor dem Zusammenbruch. Auch unser Bildungssystem ist ganz sicher alles andere als ein Erfolgsmodell. Ob man es gleich in Bausch und Bogen als „miserabel“ verwerfen muss, sei dahingestellt. Unabweisbar jedenfalls ist, dass unsere Schüler im internationalen Vergleich keine besonders gute Figur machen. Die Liste unserer Unpässlichkeiten ließe sich fortsetzen. „Wir müssen radikal umdenken“, bringt Hans-Werner Sinn seine düstere Gegenwartsdiagnose auf den Punkt, und wieder nicken wir und heißen den Münchner Wirtschaftsprofessor willkommen in der großen Schar derer, die endlich Klartext reden wollen. Aber mit welchen Rezepten will er uns denn nun den Weg aus der Malaise weisen? Mit einem „6+1-Programm“, das manches Richtige, aber nichts Neues enthält. „Weniger Macht für die Gewerkschaften“, schallt der Ruf aus der Münchner Studierstube. Dem wollen wir gerne zustimmen. Wie aber soll man das erreichen? Und wieso sollte nach Jahrzehnten gleichlautender Forderungen ausgerechnet jetzt eine wirklich radikale, also an die Wurzel gehende Steuerreform gelingen? Und wieso, so fragen wir, sollten die Deutschen der Sinn’schen Aufforderung folgen, wieder mehr Kinder in die Welt zu setzen? Nur um die Richtigkeit seiner Gleichung „Mehr Kinder, mehr Rente mehr Fortschritt“ in der Praxis zu beweisen? Oder um sich ohne Not dem Risiko der Verarmung auszusetzen, währenddessen sich die Kinderlosen in all dem Schlamassel weiterhin recht behaglich einrichten? Antworten auf diese Fragen zu finden, ist keine leichte Aufgabe; sie müssen wahrscheinlich sogar immer spekulativ bleiben. Der wirtschaftswissenschaftliche Ansatz bietet sicherlich interessante Anregungen, kann aber wohl für dieses komplexe Thema leider auch keinen Königsweg aufzeigen. –Hasso Greb