Er ist der beliebteste Politiker Deutschlands: Joschka Fischers unkonventionelle Biografie und die persönlichen und politischen Wandlungen des grünen Außenministers machen ihn zur schillerndsten Figur im deutschen Politikerreigen. Seine Karriere vom Frankfurter „Sponti“ bis hin zum deutschen Spitzenpolitiker, der die NATO-Bombardements gegen Serbien mitträgt, lässt die Gemüter nicht kalt. Gerade von ehemaligen Mitstreitern aus der links-alternativen Szene wird Fischer gerne kategorisch als „Verräter“ beschimpft. Auch Michael Schweliens fachlich durchaus kompetenter Biografie Joschka Fischer – eine Karriere hätte etwas mehr Gelassenheit ihrem Protagonisten gegenüber gut getan. Schwelien kennt Fischer noch aus den Frankfurter Sponti-Tagen, er ist mittlerweile Außenpolitikexperte und Reporter bei der ZEIT. Sein Drang, den Porträtierten zu „demaskieren“ geht auf Kosten einer tief gehenden Einschätzung des Politikers und Menschen Joschka Fischer. Man erfährt in Schweliens Buch zwar allerhand Wissenswertes über das Post-68er Milieu in Frankfurt, über die Entstehungszeit der Grünen und den Kosovo-Krieg. Die Darstellung Fischers beschränkt sich allerdings darauf, den Grünen-Politiker als machtversessen und anpassungsfähigen Meister der Selbstdarstellung zu zeigen. Sätze wie „Joschka Fischer war […] schon in seiner Jugend kein Pazifist, er war schon immer zum Kampf bereit“ schmecken nach billiger Denunziation. Fischers Zustimmung zum NATO-Bombardement letztlich mit einem selbstverliebten „Flirt“ mit der amerikanischen Außenministerin Madeleine Albright zu begründen ist geradezu hanebüchen. Kleine Seitenhiebe, etwa auf Fischers „angenommenen Frankfurter Dialekt“ oder das Selbstinteresse der Frankfurter Hausbesetzer „schnell und billig an eine große Wohnung mit hohen Decken und Stuck zu kommen“ sind kindisch und deplaziert. Sämtliche politischen Entscheidungen Fischers auf dieselben „Charakterschwächen“ zurückzuführen wirkt auf die Dauer ermüdend und unprofessionell. Sicherlich ein interessantes Thema, die politische Wandlung Fischers über drei Jahrzehnte hinweg zu verfolgen, ein Weg, der gerade auch für den gegenwärtigen Zustand der deutschen Linken sehr bezeichnend ist — und doch verschenkt Schwelien die Chance zu einer fruchtbaren Analyse, weil es ihm lediglich darum zu gehen scheint, Fischer als Opportunisten zu charakterisieren. Trotz allem ist das Buch lesenswert: Die Fülle an gut recherchierten Informationen über Fischers Werdegang bieten reichhaltiges Material für eigene Überlegungen. –Selina DeNiro