Erzählfreude. Was für ein hübsches Wort! „Lilly die Tigerin“ platzt schier davon. Und darum hält die bitter-komische Satire über drei Frauen im heutigen Tel Aviv den Leser gnadenlos in ihren Fängen. Ob die israelische Autorin Alona Kimhi von Protagonistin Lillys jüdischen Eltern erzählt, die sich über die Jahre immer ähnlicher sahen, oder von dem ekstatischen Wiedersehen mit ihrem ersten Lover, einem Japaner, der sich mittlerweile in ein menschliches Kunstwerk mit blau behaarter Vagina umgestaltet hat: Wir erfreuen uns an Kimhis frechen Beobachtungen, originellen Metaphern und ihrer spitzbübischen Ironie. Mit zuweilen gerunzelter Strin folgen wir Lillys abgedrehter Suche nach privatem Glück – und ihrer Erziehung eines kleinen Tigers im heimischen Appartement. Unterstützt wird die feminine Wuchtbrumme bei alldem von zwei weiteren Frauenprototypen: von Ninusch, einer wunderschönen russischen Ex-Prostituierten mit der Seele einer Madonna, und von Michaela, einer robusten Taxifahrerin, deren Exmann ihr die fünf Kinder vorenthält. „Lilly die Tigerin“ ist aber nicht nur ein aberwitziges Spektakel zwischen Erotik, Alltag und Perversion, sondern darüber hinaus eine dezidierte Analyse der vielfältigen Abhängigkeiten zwischen Mann und Frau sowie ein psychologisch versierter Einblick in Leben und Moral des Einwandererlandes Israel. (cor)